Pern 03 - Drachengesang
wolle, so sei das seine Sache.
Alemi dachte nicht daran, der Aufforderung nachzukommen.
Er mied die engen, dunklen Innenstiegen und humpelte vor allem durch die geräumigen, ebenen Außenbezirke der Burg.
Nun besaß er zwar eine gewisse Mobilität, aber da die Flotte ausgelaufen war, konnte er wenig tun. Angelockt von Kinder-stimmen, die eine neue Ballade einübten, blieb er am Eingang zum Kleinen Saal stehen. Der Harfner nickte ihm zu und winkte ihn herein. Wenn es die Kleinen wunderte, in ihrem Chor plötzlich einen Bariton zu hören, so besaßen sie doch 117
soviel Respekt vor Elgion, daß sie sich nur verstohlen umdreh-ten und gleich darauf weitersangen.
Alemi machte der Unterricht Spaß, weil er merkte, daß er die Worte und den Rhythmus noch genauso traf wie früher. Er bedauerte es fast, als der Harfner die Kinder entließ.
»Was macht das Bein, Alemi?« fragte Elgion, nachdem sich der Raum geleert hatte.
»Nun, in Zukunft werde ich auch eine Narbe haben, die mir jeden Wetterwechsel rechtzeitig ankündigt.«
»War das der Grund für deinen Leichtsinn? Soviel ich hörte, wolltest du Tilsit eine Chance am Ruder geben.«
Alemi lachte trocken. »Ach wo. Aber ich hatte seit dem letzten langen Sturm keinen freien Tag mehr. Eine schöne Ballade übrigens, die Sie den Kindern beibringen.«
»Und eine schöne Stimme, die uns eben begleitet hat. Warum singst du nicht öfter mit? Ich dachte schon, der Seewind hier draußen verdammt euch alle zum Krächzen, wenn ihr erst mal älter als zwölf Planetendrehungen seid.«
»Ha, da hätten Sie meine Schwe …« Alemi biß sich auf die Lippen, wurde rot und begann zu stammeln.
»Ah, das erinnert mich an etwas. Ich war so frei und habe Lioths Reiter N’ton gebeten, im Benden-Weyr die Kunde von ihrem Verschwinden zu verbreiten. Vielleicht lebt sie noch.«
Alemi nickte langsam.
»Ihr Küstenbewohner verblüfft mich immer wieder«, begann Elgion in dem Wunsch, von dem schmerzlichen Thema abzulenken. Er ging an das Regal mit den Wachstafeln und holte zwei davon aus dem Stapel.
»Diese Dinger hier scheinen von dem Pflegesohn zu stam-men, der nach Elgions Tod den Unterricht abhielt. Die übrigen Tafeln weisen die altmodischen Schriftzeichen des Harfners auf. Aber die hier … Ein Junge, der so etwas kann, gehört unbedingt in die Harfner-Gilde. Du weißt auch nicht, wer dieser Bursche ist, oder?«
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Alemi fühlte sich hin-und hergerissen zwischen Geschwister-liebe und seiner Pflicht der Burg gegenüber. Aber Menolly war nicht mehr in der Halbkreis-Bucht, und der gesunde Men-schenverstand sagte Alemi, daß sie tot sein mußte, wenn sie bis jetzt nicht einmal die Patrouille-Reiter entdeckt hatten. Außerdem war sie nur ein Mädchen – was nützte es also, wenn ihre Lieder dem Harfner gefielen? Und Alemi zögerte, seinen Vater als Lügner bloßzustellen. So antwortete er nach einer kleinen Pause wahrheitsgemäß, daß er »den Burschen« nicht kenne.
Elgion schlug die Wachstafeln in Schutzhüllen und seufzte.
»Nun, ich werde sie auf alle Fälle zur Gildehalle schicken.
Robinton will sie sicher verbreiten.«
»Der Meister-Harfner? Sind sie so gut?«
Alemi war verblüfft und bedauerte es nun doppelt, daß er die Lüge aufrechterhalten mußte.
»Sie sind großartig. Vielleicht meldet sich der Junge von selbst, wenn er sie hört – da du ganz offenkundig aus irgendeinem Grund seinen Namen nicht verraten willst.«
Er lachte über die Reaktion des jungen Barons.
»Ich bin doch nicht blind, Mann! Irgendwie scheint dieser Pflegling Schande über die Halbkreis-Bucht gebracht zu haben.
Das kommt vor, und jeder vernünftige Harfner bringt Verständnis dafür auf.
Die Ehre der Burg – und so fort.
Keine Angst, ich komme nicht mehr darauf zu sprechen. Er wird schon auftauc hen, wenn er seine eigene Musik hört.«
Sie sprachen dann von ganz anderen Dingen, bis die Flotte einlief – zwei etwa Gleichaltrige völlig unterschiedlicher Herkunft und Erziehung: der eine erfüllt von brennender Sehnsucht nach der Welt jenseits der Meeres-Bucht, der andere weitgereist und durchaus gewillt, seine Fragen zu beantworten.
Elgion empfand echte Erleichterung, daß Alemi nichts von der Sturheit und Engstirnigkeit des alten Barons besaß, und er begann zu hoffen, daß es ihm nach und nach doch noch 119
gelingen könnte, den Plan des Meister-Harfners durchzuführen und das Verständnis der Küstenbewohner über die Grenzen ihrer Bucht auszuweiten.
*
Alemi kam am nächsten Tag
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