Pern 04 - Drachensinger
legte Menolly vorsichtig auf das Bett. »Ich öffne erst mal die Läden, Silvina, damit ihre Echsen herein können. Die Biester halten bestimmt nicht mehr lange still.«
Menolly hatte sich auf den weichen, duftenden Strohsack sinken lassen. Nun löste sie den Riemen, mit dem sie das winzige Bündel ihrer Habseligkeiten festgeschnallt hatte, aber sie fand nicht mehr die Kraft, nach der Felldecke zu greifen, die zusammengerollt am Fußende des Bettes lag. Sobald T'gellan die Läden aufgestoßen hatte, rief sie ihre Freunde.
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»Ich habe schon viel von diesen Feuerechsen gehört«, plauderte Silvina. »Aber bisher bekam ich nur kurz die kleine Königin von Baron Groghe zu Gesicht … beim Ei, was ist denn das?«
Silvinas erschreckter Aufschrei ließ Menolly hochfahren. Sie sah, daß ihre Echsen die Wirtschafterin in engen Kreisen umflogen.
»Wie viele von den Biestern hast du denn, Menolly?«
»Nur neun«, lachte T'gellan, belustigt über Silvinas Verwirrung. Sie reckte den Hals und bemühte sich, die eine oder andere der kreisenden Echsen genauer zu betrachten.
Menolly befahl ihnen, auf der Stelle das wilde Geflatter zu lassen. Rocky und Taucher landeten auf dem Tisch nahe der Wand, während Prinzessin, wie immer die Mutigste, sich auf Menollys Schulter setzte. Die anderen kauerten sich auf die Fenstersimse. Ihre schillernden Augen sprühten orangerote Funken; das verriet ihre Angst und ihr Mißtrauen.
»Also, das sind die schönsten Geschöpfe, die ich je gesehen habe«, meinte Silvina und musterte aufmerksam die beiden Bronze-Echsen auf dem Tisch. Rocky begann zu zetern, als er merkte, daß die Rede von ihm war. Er faltete die Schwingen eng an den Körper, hielt den Kopf schräg und starrte Silvina an.
»Guten Abend, mein kleiner Bronze-Freund!«
»Der freche Kerl heißt Rocky«, erklärte T'gellan, »und die zweite Bronze-Echse ist Taucher, stimmt's, Menolly?«
Sie nickte, froh darüber, daß der Drachenreiter ihr das Reden abnahm.
»Die Grünen werden Tantchen Eins und Zwei genannt …«
Die beiden begannen zu keifen wie alte Weiber, und Silvina lachte hellauf.
»Der Blaue ist Onkelchen, aber die Braunen kenne ich immer noch nicht auseinander …«
Er schaute Menolly fragend an.
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»Faulpelz, Spiegel und Brownie«, stellte Menolly die drei Echsen der Reihe nach vor. »Und das hier ist meine Prinzessin, Silvina.«
Sie sprach den Namen der Wirtschafterin scheu aus, weil sie ihren Rang in der Harfner-Gilde nicht genau kannte.
»Der Name paßt zu ihr. Wie eine kleine Drachenkönigin sieht sie aus. Und scheint genauso stolz zu sein.« Dann warf Silvina Menolly einen hoffnungsvo llen Blick zu. »Wäre es möglich, daß aus einem der Eier, die Robinton mitgebracht hat, eine kleine Goldechse schlüpft?«
»Ich würde es mir so sehr wünschen!« rief Menolly leidenschaftlich. »Aber bei Echsen-Gelegen kann man nur schwer erkennen, welches das Königinnen-Ei ist.«
»Na, ich glaube, ihm kommt es auf die Farbe nicht an.«
Silvina wandte sich dem Drachenreiter zu. »Aber da wir gerade beim Thema sind – hat Brekke nun die Jungkönigin für sich gewonnen oder nicht? Wir machen uns solche Sorgen um das Mädchen, seit ihre Drachenkönigin umkam.«
»Nein, Brekke ging leer aus.« T'gellan setzte rasch ein Lä-
cheln auf, um Silvina zu beruhigen. »Ihre Feuerechse vereitelte die Gegenüberstellung.«
» Das ist nicht möglich !«
»Doch. Du hättest dabeisein sollen, Silvina. Das winzige Bronze-Kerlchen schoß auf die Drachenkönigin zu und kreischte sie an wie ein Wher. Ließ das Mädchen nicht in die Nähe der neuen Königin. Aber Brekke löste sich durch den Schock aus ihrer Trance, und F'nor meint, sie sei nun über dem Berg. Der kleine Berd hat sie gerettet.«
»Einfach unglaublich.« Silvina betrachtete die beiden Bronze-Echsen mit neuem Respekt. »Das heißt ja, daß sie Verstand besitzen …«
»Sieht so aus«, bestätigte T'gellan. »F'nor setzt seine kleine Königin Grall für Botenflüge zu den anderen Drachen-Weyrn ein. Leider …« – T'gellan lachte nachsichtig – »kehrt sie nicht 15
immer so prompt zurück, wie sie fortfliegt. Menolly hat ihre Schar besser erzogen, du wirst schon sehen.« Der Drachenreiter wandte sich zum Gehen; auf der Schwelle gähnte er mit weit aufgerissenem Mund. »Tut mir leid …«
»Ach was«, fiel Silvina ihm ins Wort. »Die Schuld liegt bei mir. Ich bedränge euch da mit meiner Neugier, obwohl ihr euch kaum noch auf den Beinen halten könnt. Sieh
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