Pern 04 - Drachensinger
hatte. Rechts sah sie den Speisesaal, beinahe ebenso lang wie der Große Saal, mit drei langgestreckten Tischen, die parallel zu den Fenstern standen. Ebenfalls zu ihrer Rechten, neben dem Treppenschacht, war ein offener Durchgang, der zu niedrigen Stufen führte. Dahinter lag – den herrlichen Düften nach zu schließen – das Küchengewölbe.
Die Feuerechsen kreischten vor Hunger, aber Menolly konnte nicht zulassen, daß der ganze Schwarm über die Küche herfiel und das Gesinde in Aufruhr brachte. Sie befahl den Tieren, sich auf den hohen Türleisten niederzulassen, die halb im Schatten lagen, und versprach, daß sie ihnen Futter bringen würde, wenn sie sich brav und leise verhielten. Prinzessin zeterte, bis die anderen nachgaben und gehorchten. Nur die glitzernden Facettenaugen verrieten, wo sie sich befanden. Dann nahm Prinzessin ihren Lieblingsplatz auf Menollys Schulter ein – den Kopf halb im dichten Haar ihrer Herrin vergraben, den Schwanz wie eine goldene Kette um ihren Hals geschlungen.
Menolly erreichte die Küche, und der Anblick der Mägde und Köche, die hin und her flitzten, um das Mittagsmahl zu bereiten, weckte flüchtige Erinnerungen an glücklichere Tage in der Halbkreis-Bucht. Aber hier kam ihr Silvina lächelnd entgegen, was Mavi, ihre eigene Mutter, nie ge tan hatte.
»Du bist wach? Und ausgeruht?« Silvina winkte gebieterisch einem plumpen Mann mit wirrem Gesichtsaus druck, der neben dem Herd kauerte. » Klah , Camo! Gieß einen Becher Klah für Menolly ein! Du mußt halbverhungert sein, Kind. Was machen deine Füße?«
»Oh, sie schmerzen überhaupt nicht. Aber ich möchte niemanden stören …«
»Stören? Was heißt da stören! Camo, gieß einen Becher Klah ein!«
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»Ich komme auch nicht meinetwegen …«
»Aber du mußt etwas essen, Kind!«
»Bitte, es ist wegen der Echsen. Wenn ich vielleicht ein paar Reste oder Abfälle haben könnte …«
Silvina preßte eine Hand an den Mund. Sie schaute umher, als erwartete sie jeden Moment den Echsenschwarm in der Küche.
»Nein, ich habe ihnen befohlen, draußen zu warten«, beruhigte Menolly sie rasch. »Sie kommen nicht hier herein.«
»Du bist aber ein rücksichtsvolles Kind«, sagte Silvina so entschieden, daß Menolly ganz verwirrt war. Dann erst bemerkte sie, daß sie Mittelpunkt einer verstohlenen Neugier war. »Camo, Vorsicht! Gib her – komm!« Silvina streckte die Hand nach dem Becher aus, den der Mann mit übertriebener Sorgfalt trug.
»Und nun hol die große blaue Schüssel aus dem Kühlraum!
Die große blaue Schüssel, Camo, aus dem Kühlraum. Bring sie mir!« Silvina reichte Menolly den randvollen Becher, ohne einen Tropfen zu verschütten. »Im Kühlraum, Camo, die große blaue Schüssel.« Sie nahm den Mann an den Schultern und gab ihm einen sanften Schubs in die angegebene Richtung.
»Abuna, du stehst gerade am Herd. Richte bitte eine Schale Weizenbrei her – mit viel Zucker! Die Kleine besteht ja nur aus Haut und Knochen.« Silvina lächelte Menolly zu. »Es wäre nicht sehr sinnvoll, die Tiere zu mästen und die Herrin hungern zu lassen. Ich habe ein paar Fleischbrocken für deine Echsen auf die Seite gelegt, als wir den Rostbraten vorbereiteten …«
Und Silvina deutete zum Hauptherd hin, wo große Fleisch-keulen auf Spießen rotierten.
»So, wo ist der günstigste Platz …«
Sie blickte unentschlossen umher, aber Menolly hatte bereits eine niedere Tür entdeckt, von der ein paar Stufen in eine Ecke des Innenhofes führten.
»Würde ich da draußen jemand stören?«
»Ganz und gar nicht. Du bist wirklich ein kluges Mädchen.
23
Gut gemacht, Camo, vielen Dank.« Silvina tätschelte freundlich den Arm des halbblöden Knechtes, und er strahlte vor Freude, weil er den Auftrag richtig ausgeführt hatte. Silvina hielt die Schüssel Menolly entgegen. »Ist das genug? Ich habe noch mehr draußen …«
»Oh, fast zuviel, Silvina!«
»Camo, das hier ist Menolly. Trag ihr die Schüssel nach. Sie kann nicht ihr Frühstück und das Futter für die Echsen schleppen. Das hier ist Menolly, Camo, trag ihr die Schüssel nach!
Geh ruhig los, Liebes, er macht das recht geschickt …«
Silvina wandte sich ab und fauchte zwei Küchenmägde an, lieber Rüben zu schneiden, anstatt andere Leute anzugaffen.
Menolly war sich des Aufsehens bewußt, das sie erregte, und verlegen ging sie auf die Stufen zu, ihren Klah -Becher in einer, den Weizenbrei in der anderen Hand. Camo schlurfte hinter ihr drein. Prinzessin, die sich
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