Pern 05 - Drachentrommeln
die ein gutes Stück oberhalb der Flutmarke lag.
Wieder verstrich längere Zeit, bis er Steine gefunden hatte, aus denen er Funken schlagen konnte. Er entfachte ein Feuer aus getrocknetem Gras und Zweigen, nahm den Fisch aus, spießte ihn auf einen Ast und hielt ihn in die Flammen. Er konnte es kaum erwarten, bis sich das Fleisch hell verfärbte.
Noch nie hatte ein Fischgericht so köstlich geschmeckt! Er hätte zehnmal soviel verspeisen können. Sehnsüchtig schaute er zum Meer hin. Als wollten die Fische ihn verspotten, schnellten sie immer wieder aus dem Wasser und schnappten nach Insekten. Jetzt erst fiel ihm ein, daß Menolly erzählt hatte, die beste Zeit zum Angeln sei frühmorgens, abends oder nach starkem Regen. Kein Wunder, daß er kaum etwas erbeutet hatte, wenn er sich in der prallen Mittagssonne auf die Lauer legte!
Gesicht und Hände brannten wie Feuer. Piemur drang tief in den Wald ein, der den Küstenstreifen säumte. Während er nach Süßwasser und reifen Früchten Ausschau hielt, entdeckte er im 200
Unterholz Blätter, die ihn an das Kraut von Gemüseknollen erinnerten, allerdings wesentlich größer waren. Er umfaßte eines der Gewächse und riß es aus der Erde. Angewidert ließ er die riesige helle Knolle fallen, als er die kleinen grauen Würmerknäuel sah, die daran klebten. Doch die Tiere rollten sich blitzschnell zusammen und verschwanden im Erdreich, und zurück blieb eine herrlich weiße Eßknolle. Mißtrauisch nahm Piemur sie auf und untersuchte sie von allen Seiten. Sie war größer als die Gemüseknollen, die er aus dem Norden kannte, wies aber sonst keine Unterschiede auf.
Er trug seinen Fund zurück an das schwach glimmende Feuer, schürte die Glut noch einmal an, wusch die Knolle in einem Teil seines kostbaren Süßwassers und schnitt sie dünn auf. Er röstete eine Scheibe über den Flammen und brach ein Stück ab, um es zu probieren. Vielleicht beeinflußte ihn der Hunger, aber er fand, daß er noch nie im Leben eine bessere Mahlzeit genossen hatte. In aller Eile briet er die restlichen Scheiben und verschlang sie. Danach fühlte er sich wie neugeboren.
Piemur kehrte noch einmal in den Dschungel zurück, diesmal die Augen fest auf den Boden gerichtet. Er fand Gemüsekno llen in rauhen Mengen, nahm aber nur so viele mit, wie er bequem tragen konnte.
Als die Flut gegen Abend zurückwich, watete er noch einmal zu seinem Felsen hinaus und fing mehrere Gelbschwänze von beachtlicher Größe. Zwei davon briet er zum Abendessen und verspeiste sie zusammen mit einer Gemüseknolle. Dann buddelte er das Ei aus, umhüllte es mit warmem Sand und packte es vorsichtig in die Fruchthülle.
In dieser Nacht wanderte er wieder nach Westen, bis die beiden Monde untergegangen waren. Dann legte er sich ins trockene Laub zum Schlafen nieder, ganz am Rande des Dschungels, damit ihn die Morgensonne rechtzeitig zum Angeln weckte.
Diesen Rhythmus hielt Piemur zwei weitere Tage und Nächte 201
ein; seit geraumer Zeit hatte er keine Feuer-Echsen und Drachen mehr gesehen. Nur die wilden Where zogen von Zeit zu Zeit hoch über ihm hinweg. Er nahm sich vor, am nächsten Tag einen Platz mit genügend Süßwasser und einem Sandstreifen oberhalb der Flutmarke zu suchen und dort zu bleiben. Die Schale des Echsen-Eies fühlte sich deutlich härter an; das Junge konnte nun jeden Moment ausschlüpfen.
An diesem Abend überlegte er erstmals, weshalb er sich so weit von Weyr und Burg entfernt hatte. Sicher, es machte ihm Spaß, Bucht um Bucht zu entdecken und die warme Küste entlangzuwandern. Auch daß er ganz auf sich gestellt war und sich allein durchschlagen mußte, reizte ihn. Nun, da er genug zu essen hatte, begann er das abenteuerliche Leben zu lieben.
Er war überzeugt davon, daß er Buchten durchwandert hatte, die noch kein Mensch betreten hatte. Er war frei, mußte nicht mehr die Anweisungen von Gesellen und Meistern befolgen, wie er es einen Pla netenumlauf nach dem anderen getan hatte.
Am Morgen angelte er von neuem und erbeutete einen Stachelschwanz, den er mit großer Vorsicht behandelte, weil er sich an Menollys Unglück erinnerte. Die Harfnerin war nämlich beim Ausnehmen von Stachelschwänzen mit ihrem Messer an dem zähen, öltriefenden Fleisch abgerutscht; die tiefe Wunde, die sie sich dabei zufügte, begann sich durch einen Tropfen Giftschleim zu entzünden, und um ein Haar wäre die Hand des Mädchens für immer steif geblieben. Für Piemur allerdings erwies sich der Fischtran als Segen.
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