Pern 07 - Moreta, die Drache
ohne die Aufforderung zum Eintreten abzuwarten.
Baron Alessan kniete neben einem Strohsack und wusch
einem Kranken das Gesicht. An der Wand, die zu seiner Schlafkammer führte, befand sich ein weiteres Lager. K'lon unterdrückte einen entsetzten Ausruf, als er sah, wie sehr sich der junge Erbbaron verändert hatte. Wahrscheinlich verlor sich mit der Zeit seine Blässe und der schlaffe, ausgezehrte Körper wurde wieder straff, aber die scharfen Falten, die sich tief in das Gesicht gegraben hatten, würden ihn wohl für immer prägen. Alessan wandte sich mit einem Seufzer dem bla uen Reiter zu.
»Seid mir vielmals willkommen, K'lon, Reiter des Blauen Rogeth!« Der Burgherr verneigte sich. Dann faltete er das feuchte Tuch und legte es dem Kranken auf die Stirn. »Laßt Meister Tirone wissen, daß wir ohne die Unterstützung und Erfindungs gabe seiner Harfner noch mehr gelitten hätten.
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Tuero hier verhielt sich großartig. Der junge Heiler ... wie hieß er?« Alessan fuhr sich mit zittriger Hand über die Stirn.
»Folien.«
»Seltsam, denn alle die anderen Namen kommen mir in den Sinn ...« Alessan schwieg und starrte aus dem Fenster. K'lon wußte, daß der Erbbaron die Begräbnishügel vor Augen hatte, und er fragte sich, ob der erschöpfte junge Mann die Namen jener meinte, die nun in den Massengräbern ruhten. »Man wird vergeßlich, wenn man im Bett liegt und darauf wartet, daß ...«
Alessan warf den Kopf zurück. Er griff nach der Tischkante und richtete sich langsam auf. »Ihr habt uns in der Tat Trost gebracht. Folien sagt, daß Tuero, Deefer ...« Er deutete auf das zweite Lager. »... und meine Schwester überleben werden. Und er entschuldigte sich noch, weil er nicht mehr ... Impfstoff? Ist das richtig? ... weil er nicht mehr Impfstoff besaß ...«
»Setzen Sie sich, Baron ...«
»Ehe ich zusammenbreche?« Alessan lächelte schwach, aber er gehorchte.
»Die Leute haben eingeheizt, und bald wird es eine kräftige Suppe geben. Das Rezept stammt von Desdra. Sie pflegte Meister Capiam, und er behauptet, das Zeug habe bei ihm wahre Wunder gewirkt.«
»Vielleicht tut es das auch bei uns.« Aus Alessans Kammer drang ein schwaches Husten. Alessan horchte und atmete tief durch.
»Ihre Schwester? Sie werden sehen, daß es nach der Impfung rasch aufwärts mit ihr geht!«
»Ich hoffe es von ganzem Herzen. Sie ist die einzige Verwandte, die mir blieb.«
Obwohl Alessan bei diesen Worten ruhig wirkte, schnürte es K'lon vor Mitleid die Kehle zu.
»Das Serum wird die Viruswirkung stark dämpfen. Zumindest habe ich bei anderen Patienten erstaunliche Heilerfolge erlebt. Wenn ich mich nicht täusche, stammt das Medikament 258
sogar von meinem eigenen Blut.« K'lon redete und redete, und es störte ihn nicht, daß er gelegentlich von der Wahrheit abwich. Was der Burgherr im Moment brauchte, war ein
Anker, an den er sich klammern konnte.
Alessan zog überrascht die Brauen hoch und lächelte
schwach. »Das Geschlecht von Ruatha war stets stolz auf das Drachenreiterblut, das in seinen Adern floß, aber daß die Bande so eng werden ...«
K'lon lachte. »Wenigstens haben Sie Ihren Humor behalten.«
»Das ist so ziemlich das einzige, was mir blieb.«
»Nein, Baron Alessan, Sie haben noch sehr viel mehr«, entgegnete K'lon ernst. »Und Sie werden jede nur mögliche Hilfe von Weyr, Burg und Gilde bekommen, um Ihren Besitz zu erhalten.«
»Vorausgesetzt das Serum weist die Krankheit in ihre
Schranken ...« Wieder horchte Alessan angespannt zur Schlafkammer hin. »Nun, es ist bereits mehr, als wir erhofften.«
»Ich werde mir Ihre Vorräte ansehen und notieren, was Sie am dringendsten brauchen«, begann K'lon. Insgeheim schwor er sich, als erstes diese entsetzlichen bunten Fetzen von den Fenstern reißen zu lassen. Wenn er die Flaggen bereits als Hohn und Spott empfand, wie grausam mußte dann erst der Anblick für Baron Alessan sein!
Der Burgherr erhob sich ein wenig zu schnell und mußte sich an der Stuhllehne festhalten. »Ich weiß genau, was wir benötigen ...« Er ging unsicher zu seinem Schreibtisch am Fenster und stapelte geistesabwesend ein paar schmutzige Teller. Dann nahm er ein Stück Pergament in die Hand. »Zuallererst Medikamente. Wir haben kein Akonit und kein Fiebermittel mehr, nur noch einen viel zu schwachen Sirup gegen diesen verdammten Husten. Außerdem fehlen Thymus, Schwarzwurz, Mehl und Salz. Die Schwarzsteinvorräte sind aufgebraucht, und seit drei Tagen gibt es weder Gemüse noch
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