Pern 10 - Die Renegaten von Pern
wo er mit Jaxom Gras geschnitten hatte, und betrachtete lange den fernen, in seiner Symmetrie so ausgewogenen Bergkegel. In diesen Nächten schlief er ausnehmend gut, ohne Träume von ausbrechenden Vulkanen. Auch Farlis aufgeregtes Geschnatter von Menschen und großen Gegenständen am Himmel war verstummt. Er hatte immerhin verstanden, daß damit keine Drachen gemeint waren. Die kleine Echsenkönigin hatte ihm auch einige sehr klare Bilder von Vulkanausbrüchen übermittelt, und Piemur fragte sich, wer wohl nun von diesen Träumen gequält wurde. Am fünften Tag meldete sie endlich begeistert, das Schiff sei schon ganz nahe an der Bucht, und riß ihn damit aus seinen Gedanken.
Bei seiner Rückkehr war das neue Haus an der Meeresbucht fertig, und sämtliche Handwerker und Helferinnen befanden sich bereits auf dem Rückflug in den Norden. Sharra und Jaxom freuten sich sehr, ihn wiederzusehen, und zeigten ihm alles, was in seiner Abwesenheit entstanden war.
»Splitter und Scherben, das ist ja großartig«, sagte er und bereute schon, sich wie ein verschreckter Wher aus dem Staub gemacht zu haben, als er sich in dem weitläufigen Saal umsah, wo Meister Robinton eine halbe Siedlung bewirten konnte, wenn er wollte.
Piemur liebte den Harfner und wußte, daß fast jedermann auf Pern aus irgendeinem Grund ähnliche Gefühle für ihn hegte, aber daß so viele fähige Leute ihre Achtung und Bewunderung auf diese Weise zum Ausdruck gebracht hatten, schnürte ihm die Kehle zu.
»Das ist einfach großartig«, wiederholte er, und die anderen grinsten.
Dann ging er im Saal umher und berührte die kunstvoll geschnitz-ten Stühle und die Truhen und Tische aus edlen Hölzern.
Das gleiche sagte er, als Sharra ihn in das Eckzimmer führte, einen Arbeitsraum mit einem phantastischen Ausblick auf das Meer 333
und die östliche Landspitze, ausgestattet mit praktischen Regalen für Aufzeichnungen und Musikinstrumente, und mit einem überwälti-genden Vorrat an Meister Bendareks Schreibblättern versehen. Er bewunderte die Gästezimmer: groß genug, um sich darin wohlzufühlen, aber auch klein genug, um die Besucher nicht zu einem allzu langen Aufenthalt zu ermuntern, und geizte nicht mit Lob für die Küche, mit der Sharra sich besondere Mühe gegeben hatte. Hier war in speziellen Schränken der Benden-Wein gelagert, den der Meisterwinzer in verschwenderischer Menge geschickt hatte.
Ja, dachte Piemur und wischte sich verlegen die nassen Augen, der Meister würde auf dem Landsitz an der Meeresbucht alles nach seinem Geschmack und zu seiner Bequemlichkeit vorfinden. Hier konnte er lange und glücklich leben, fern von allem Zank und Streit.
An dem Tag, an dem Meister Robinton erwartet wurde, erbot sich Piemur, den frischen Wherbraten zu beaufsichtigen, der in einem Steinhaufen an der rechten Seite der halbkreisförmigen Bucht über dem Feuer schmorte. Er hatte sich in die Vorstellung verrannt, der Harfner sei hager geworden wie einst T'ron, seine Krankheit habe ihn über Nacht gebeugt und zum Greis gemacht. In einem solchen Zustand wollte er seinen stolzen, vitalen Lehrmeister nicht sehen, aber er mußte ihn sehen, mit eigenen Augen.
Von der Feuergrube aus hatte er den besten Blick auf die West-seite der Bucht, und so entdeckte er als erster die drei Masten der Morgenstern, des besten Schiffs von Meister Idarolan, die unter vollen Segeln und mit sichtbarem Kiel durch das klare, grüne Wasser rauschte.
Er beobachtete, wie sie den Kurs änderte, wie die Matrosen die Rahen enterten, um die Segel zu bergen, und wie sie langsam hereinglitt und an dem schönen Landungssteg festmachte, den man eigens für sie und ihren Ehrenpassagier gebaut hatte. Er beobachtete, wie Lessa, Brekke, Meister Fandarel und Jaxom dem Harfner auf das schwankende Fallreep halfen, und sah erleichtert, daß 334
Meister Robinton mit gewohnt kräftigen Schritten die Planke herunterkam. Er beobachtete auch, wie hinter ihm Menolly das Schiff verließ, und fühlte sich allen diesen alten Freunden merkwürdig fern. Zu viele Menschen konnten nervenaufreibend sein, sagte er sich. Er konnte warten. So begoß er weiter das saftige Fleisch.
»Piemur!«
Der vertraute Bariton klang so voll wie eh und je, und die weittra-gende, klare Stimme gab ihm viel von seiner Zuversicht zurück.
»Meister?« gab er erschrocken Antwort. Diesen Ruf hatte er lange nicht mehr gehört.
»Piemur, sofort melden!«
*
D'ram, Sebell und N'ton, der junge Weyrführer von Fort, kamen in die Burg
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