Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen
seinen geheimnisvollen Besucher auf ungefähr fünfzig Jahre.
„Ich hoffe, Sie sind mit mir zufrieden, Mister Clifton!“ meldet sich der noch immer lächelnde Unbekannte mit tiefer Stimme zu Wort. „Hoffentlich habe ich Sie nicht allzusehr erschreckt. Obgleich ich zugeben muß, daß Sie nicht gerade einen schreckhaften Eindruck machen.“
Perry zeigt auf einen Stuhl und nimmt ebenfalls Platz.
„Ich war gewappnet, das ist alles. Wenn ich richtig vermute, habe ich das Vergnügen, soeben Mister Tom Forrester kennengelernt zu haben.“
Tom Forrester läßt sich auf den angebotenen Stuhl fallen und nickt anerkennend: „Okay, ich sehe schon, daß der alte Sir Arthur wieder einmal eine gute Nase gehabt hat. Es wird mir ein Vergnügen sein, mit Ihnen Zusammenarbeiten zu dürfen!“
„Ich hatte Sie eigentlich schon einige Tage früher erwartet, Mister Forrester“, erwidert Perry und tut, als habe er Forresters Kompliment überhört.
„Die Angelegenheit in Frankreich hat sich leider etwas in die Länge gezogen. Ich hatte noch nicht einmal Zeit, auf den Trafalgar Square zu spucken. Gestern abend kam ich zurück und fand Sir Arthurs Order, mich umgehend bei ihm zu melden. Was blieb mir also übrig, als ihn noch zu später Stunde in seiner Wohnung in Westend aufzusuchen. Nun ja, zwölf Stunden später machte ich mich auf den Weg nach Turny.“
„Und wo haben Sie sich hier einquartiert?“
„Ich hielt es für besser, nicht im gleichen Gasthof zu wohnen wie Sie. Leider, kann ich nur sagen, obwohl es natürlich unverfänglicher ist. Ich wohne bei Moby Dick, wenn Ihnen das ein Begriff ist.“
Perry erinnert sich an ein altes windschiefes Haus am Fischereihafen.
„Das ist die kleine Kneipe unten am Hafen, stimmt’s?“
„Ja. Ihr Zimmer hier ist das reinste Fürstengemach gegen meine lausige Bude. Aber dafür habe ich einen anderen Vorteil: Es stinkt Tag und Nacht ganz jämmerlich nach Fisch.“
Beide lachen.
Dann erkundigt sich Perry: „Wie haben Sie denn herausgefunden, in welchem Zimmer ich wohne?“
„Das war ganz einfach. Einmal hier oben, mußte ich nur noch das einzige bewohnte Gastzimmer aufspüren. Sie schrieben ja an Sir Arthur, daß es außer Ihnen keine Gäste gäbe.“
„Stimmt. Aber das hätte sich inzwischen ja ändern können.“
„Sie haben recht. Trotzdem rechne ich immer mit einem Quentchen Glück. Wäre in unserem Beruf alles vorauszuberechnen, würde ich ihn sofort wechseln. Und wie steht es mit Ihnen? Haben Sie auch schon Glück gehabt?“
Perry Clifton winkt ab.
„Damit, mein lieber Mister Forrester, berühren Sie einen wunden Punkt. Aber es dürfte wohl am besten sein, wenn ich chronologisch vorgehe.“ Nun erzählt Perry dem Londoner Detektiv, was sich bisher auf Turny ereignet hatte — und das war nicht gerade viel.
Genau zu diesem Zeitpunkt geschieht etwas, wovon die beiden Detektive nicht einmal träumen würden.
Joe Porter nimmt den Telefonhörer in seinem Laden von der Gabel und wählt eine Nummer.
Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt er das Summen am anderen Ende des Drahtes.
Einmal... zweimal... dreimal... viermal...
Joe Porter überlegt, ob er auflegen soll.
Fünfmal... sechsmal... da hört er eine Stimme.
Joe Porter flüstert in den Hörer: „Hallo, Sir, hier spricht Joe Porter. Heute abend ist Bescheid aus London gekommen — Ja, Sir, Tim Allen hat den Brief mitgebracht... Er hat ihn aus dem Postsack gefischt... Sie hatten recht, Sir, und Tim Allen eine verdammt gute Nase... Ja, Sir, dieser Clifton ist tatsächlich ein Detektiv. Er arbeitet in einem Warenhaus und soll auch schon einige große Erfolge gehabt haben... Ja, verstehe, Sir... Eine falsche Spur... es könnte ja sein, daß er wirklich nur aus Zufall hier ist... Wann?... Okay, Sir, zum Tag der Kapuzen... Und Sie glauben, daß uns der Fisch an die Angel geht? ... Gary Allen? Nein... Der Alte behauptet nach wie vor, daß er nicht weiß, wo sein Sohn steckt... Alles klar, Sir... wie immer, Sir... Gute Nacht, Sir...“
Joe Porter legt den Hörer fast zärtlich auf die Gabel zurück. Sein Gesicht verzieht sich zu einer schadenfrohen Grimasse, während er sich die Hände reibt.
Perry Clifton hat seine Schilderung beendet. Eine Zeitlang verharren die beiden in Schweigen. Dann ist es Tom Forrester, der zuerst das Wort ergreift:
„Tja, mein lieber Clifton, was schlagen Sie vor? Was sollen wir tun?“
„Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen. Und immer wieder komme ich zu dem gleichen
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