Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen
die steinerne Treppe eine Biegung, und Mary ruft zurück:
„Es sind genau einunddreißig Stufen!“
„Und das alles ohne Licht“, seufzt Perry Clifton, während sich seine Füße vorsichtig Stufe um Stufe abwärts tasten.
„Unten ist Licht, Mister Clifton!“
„Komischer Vater, der sich zehn Meter unter der Erde aufhält, finden Sie nicht, Herr Kollege?“ flüstert Tom Forrester Perry ins Ohr.
„Ich habe eine ganz verrückte Ahnung, Mister Forrester, aber die ist so verrückt, daß ich sie gar nicht auszusprechen wage... hoppla...“ Perry schnauft erschrocken und kann sich gerade noch rechtzeitig abfangen, sonst wäre er die restlichen vier Stufen hinuntergesaust.
Mary Rodger ist nur noch schemenhaft zu erkennen. Sie steht vor einer dunklen Bohlentür und klopft in einem ganz bestimmten Rhythmus dagegen.
Sie lauschen gespannt. Sekunden vergehen. Mary klopft ein zweites Mal. Perry Clifton spürt, wie seine Handflächen feucht werden, und wie ihm die dumpfe Luft plötzlich auf den Magen drückt.
Mary hat die Hand schon zum dritten Klopfen erhoben, als ein Geräusch ertönt. Von innen wird ein Riegel zur Seite geschoben, und dann hören sie, wie sich die Klinke, ein riesiges eisernes Ungetüm, knarrend bewegt.
Mary drückt die Tür nach innen auf, und helles, gleißendes Licht fällt in einer weißen Bahn in das Dunkel des winzigen Vorraums. Perry Clifton und Tom Forrester schließen geblendet die Augen.
Als sie sich endlich an die Helligkeit gewöhnt haben, stutzt Tom Forrester, während Perry vor Überraschung den Atem anhält.
Weder der Raum selbst mit seinen Wänden aus unbehauenem Stein noch die spartanische Einrichtung beeindrucken sie so; es sind die beiden Männer, denen sie gegenüberstehen und die ihnen aus einer Mischung von Trotz und Unbehagen entgegensehen. Perry Clifton wendet sich dem Versicherungsdetektiv zu.
„Darf ich Ihnen die Herren vorstellen, Mister Forrester. Den alten Herrn kennen Sie ja bereits, Tim Allen, den Fährkapitän, und der junge Mann neben ihm ist sein Sohn Gary.“
Tom Forrester winkt den beiden Männern freundlich zu.
„Freut mich, Sie kennenzulernen.“
„Was soll dieses Theater?!“ begehrt Tim Allen auf, während sich Gary resigniert auf einen Schemel fallen läßt. Er tippt seinen Vater an: „Was hast du erwartet, Vater? Daß sie uns vielleicht mit Schalmeienmusik empfangen? Nachdem du sie erst letzte Nacht nach Little Stone geschickt hast!“
„Ja, du hast recht, Gary“, brummt Tim Allen. Er läßt sich auf einem der Feldbetten nieder.
Perry Clifton wendet sich Mary Rodger zu, die mit hängenden Armen mitten zwischen den Männern steht und hoffnungslos ratlos scheint.
„Wir wollen die Dinge alle schön der Reihe nach abhandeln. Zunächst eine Frage an Sie, liebe Mrs. Rodger. Warum banden Sie uns die Geschichte von Ihrem Vater auf? Warum sagten Sie nicht gleich, daß es sich um Tim Allen und seinen Sohn Gary handelt?“
Mary schluckt und stottert ein wenig irritiert: „Aber Tim Allen ist doch mein Vater und Gary mein Bruder. Ich bin eine geborene Allen, Mister Clifton.“
Perry ist erstaunt, und mit einer mißglückten Verbeugung entschuldigt er sich: „Tut mir leid, Mrs. Rodger, daß ich Ihnen eine Lüge zugetraut habe. Wußten Sie von Anfang an Bescheid über die Nebentätigkeit Ihres Vaters und Ihres Bruders?“
Gary Allen ist aufgesprungen. „Nein, davon wußte sie nichts, Mister Clifton! Sie hat es erst gestern erfahren.“
Bei Perry dämmert es. Das also ist die Erklärung für die Veränderung in Marys Wesen seit gestern.
„Man hat sie ja dazu gezwungen, Mister Clifton!“ zischt Mary Rodger plötzlich, und ihre Augen glühen haßerfüllt. „Der Schuft hat sie erpreßt — ihn müssen Sie verhaften!!“
„Halt dich da raus, Mary!“ ruft jetzt Tim Allen und erhebt sich. Müde und mit schleppenden Schritten geht er auf seine Tochter zu und streichelt ihr begütigend über das Haar.
„Was hat Sie eigentlich dazu bewogen, Mister Allen, auf die andere Seite umzuschwenken?“
„Wir sind keine Verbrecher. Vielleicht denken Sie anders darüber, aber ich schwöre Ihnen, Mister Clifton, vor dieser Sache hatten wir eine schneeweiße Weste.“
„Vater“, wirft Gary ein, „vergiß den Schmuggel nicht!“
„Nun ja, aber so ein bißchen schmuggeln rechne ich nicht zu den Verbrechen — oder?“
„Wir sind auch nicht wegen Schmuggelei hier, Mister Allen. Wenn Sie ohnehin bereit waren abzuspringen, warum haben Sie uns dann gestern
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