Perry Rhodan - 2571 - Die zeitlose Welt
nehmen.«
»Dazu kann ich dir nicht raten. Mit den Einnahmen so alten Erinnerungsgutes habe ich keine
Erfahrung. Der Kontakt mit nicht genuiner Erinnerung ist für uns Essa Nur riskant. Je älter das
Mnemonat, desto problematischer die Einnahme. Das kann bei dir als Esnur ähnlich sein. Vielleicht
weniger gefährlich. Vielleicht gefährlicher. Wir wollen sorgsam sein.«
Clun'stal ging wieder in die Hocke und wählte einen Kristall.
»Ein sehr schwach leuchtendes Stück«, warnte Udkigom.
»Ja«, sagte Clun'stal und griff zu.
*
»Sie werden drei«, sagte Munsguj. »Vielleicht immer mehr. Möglicherweise haben wir sie
provoziert. Sie könnten uns jagen. Sie sind unfasslich schnell.«
»Ach was«, sagte Aghinjan. »Der dritte läuft auf die ersten beiden zu. Sie kümmern sich gar
nicht um uns.«
»Beschreien wir es nicht«, sagte Munsguj.
Sie warteten. Tatsächlich machten die kristallinen Wesen keinerlei Anstalten, sich auf die
beiden zuzubewegen.
»Vielleicht ein Treffen der Familie«, überlegte Aghinjan.
»Mit großer Wahrscheinlichkeit.«
»Ob wir hinübergehen und vorbeischauen?«
»Lieber nicht. Ich kann mir nicht denken, dass unsereins eingeladen ist.«
Die beiden plirrten.
»Aber ich möchte gar zu gern wissen, was da drüben Sache ist«, sagte Aghinjan.
Munsguj reagierte nicht.
»Lass uns wenigstens einige Schritte weiter in die Kristallweite tun und dort noch einmal
Wurzel fassen.«
Sie ging voran.
Munsguj zögerte. Dann folgte sie.
Die erfüllte Zeit
Clun'stal stand seiner ihm zufließenden Erinnerung nach in einem kolossalen Bauwerk, einer
Achtung gebietend großen Halle - ein Universum mit fernen Wänden.
Er war nicht allein.
Er war im Gegenteil alles andere als allein. Überall Esnur. Aber es waren nicht die Esnur,
denen seine Aufmerksamkeit galt.
Wir Esnur sind hier und jetzt bloße Randfiguren, erinnerte sich Clun'stal.
Gewaltige Geschöpfe trieben im honigfarbenen Licht, jedes von ihnen zu groß, um es mit einem
einzigen Blick zu erfassen. Äußerlich den ungefügen Riesen einer Megafauna gleich, war gleichwohl
nichts Animalisches an ihnen. Voller Selbstbeherrschung, durchgeistigt.
Clun'stal hätte in diesem Augenblick nicht sagen können, wie sich diese majestätischen Körper
bewegten. Wie sie derart geschmeidig durch die Luft gleiten konnten. Was ihnen ihre
eigentümliche, durch keine erkennbaren technischen Mittel bewirkte Schwerelosigkeit verlieh. Sie
glitten mit geradezu halluzinatorischer Grazie dahin, umwanden, umtänzelten einander, berührten
sich sanft und flüchtig.
Holos?
Keine Holos. Keine Projektionen. Sie lebten.
Und wie sie lebten! Sie strahlten geradezu vor Vitalität.
Lebendige Anthurianer.
Allerdings gewann er den unerklärlichen Eindruck, dass die Leiber diese besondere Vitalität
kaum aushielten, dass die Lebenskraft aus ihnen herausbrechen wollte. Ein nie gekannter, alles
überbietender Lebenswille, der sich nicht mehr in die Schranken des biologisch Möglichen fügen
mochte.
Wie eine Welle schlug die Trauer über Clun'stal zusammen, an die er sich nun erinnerte. Weil
es nicht die eigene Erinnerung, nicht die eigene Trauer war, traf sie ihn wehrlos.
Der Esnur, dessen Erinnerung er teilte, ahnte, was geschehen würde. Die Anthurianer hatten es
ihren Beiständen und ausführenden Organen, den Kristallingenieuren, längst angekündigt. Sie, die
Meister, würden den Großen Gesang anstimmen.
Nicht irgendwann in der nahen Zukunft.
Nicht bald.
Sondern jetzt.
Und eben, als er einen Hauch Hoffnung spürte, er möge sich geirrt haben, seine Meister sähen
die Zeit noch nicht gekommen, begannen die Anthurianer zu singen. Es war zunächst ein einzelner
Ton, der von jedem der Riesen gesungen wurde. Um eine winzige Abstufung höher hier, tiefer dort,
eine weithin hallende, volle Monotonie.
Dann gebar jeder Ton einen zweiten, die Stimme schwang sich vom einen zum anderen, konnte vom
einen nicht lassen, sehnte den anderen herbei.
Clun'stal - oder der Esnur, dessen Erinnerungen er vergegenwärtigte - stand stumm und
lauschte.
Und obwohl sie so weit wie nur eben denkbar ausgeschlossen waren von diesem die ganze Welt
erfüllenden Klang, meinten sie zu verstehen: die Wehmut und Sehnsucht, den Triumph eines
unumkehrbaren Aufbruchs, die gesungenen Seufzer einer endgültigen Erleichterung, Gesang, der
Abschied und Begrüßung in einem war.
Abschied wovon?
Von den Esnur?
Vielleicht. Aber war der
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