Perry Rhodan Neo 028 - Flucht ins Dunkel
Khatleen-Tarr sich sträubte, darüber zu sprechen. Die Worte kamen so zögerlich, als blieben Schrecken, die nie jemand beschrieb, automatisch und für immer im Verborgenen gefangen. Mit der selbstsicheren, fröhlichen jungen Echsenfrau, die er wochenlang in Bismall-Kehns Freudenhaus beobachtet hatte, schien die Besitzerin dieser Stimme neben ihm im Dunkeln kaum etwas gemeinsam zu haben.
»Kennst du dich in topsidischer Fortpflanzung aus, Erikk?«, fragte Khatleen-Tarr leise.
Eric dachte an die Szenen, Laute und Gerüche, deren er während seiner Tage im Purpurnen Gelege gewahr geworden war. An Chon-Dohs rabiates Vorgehen gegenüber Khatleen-Tarr. »Na ja, ich glaube, ich weiß ziemlich genau, wie ihr euch ...«
»Aber weißt du auch, was danach geschieht?«, unterbrach sie ihn ebenso schnell wie schroff. »Wenn der Nachwuchs erst einmal da ist?«
Er verneinte. »Müsste ich raten, würde ich auf Eier tippen: Ihr legt Eier und brütet die dann aus.« So in etwa läuft's zumindest bei Echsen auf meiner Welt. »Darüber wurde nie gesprochen, also hielt ich es für ein Tabu.«
Der Gang machte eine Biegung nach rechts. Als sie ihr folgten, stolperte Manoli wieder und plumpste mit rudernden Armen ins eiskalte Abwasser. Der Kanal war nicht sonderlich tief. Für einen Moment sah er Sterne. Er tauchte auf und spuckte eine Brühe aus, über die er nicht weiter nachdenken wollte. Dann lauschte er wieder ins Dunkel, wartete auf eine Reaktion von Khatleen-Tarrs Monstern. Doch abermals blieb sie aus. Schließlich packte Khatleen-Tarr ihn am Arm und zog ihn zurück auf den schmalen steinernen Steg. Irgendwo weiter vorn gab Kikerren leise Laute von sich, die – darauf hätte er in diesem Moment geschworen – Flugechsen-Sprech für hämisches Gekicher waren.
»Fast richtig«, überging die Topsiderin seinen schmachvollen Tauchgang gnädig. »Allerdings brüten wir nicht. Unser Gelege reift und schlüpft eigenständig.«
Eric stutzte und schlang die Arme um den Oberkörper, um das Bibbern zu stoppen. Fast wünschte er sich den Rest seines Rrakass-Fells zurück. »Und dann kommt ihr wieder und füttert?«, fragte er in einem Flüsterton, der leiser war als das Klappern seiner Zähne. »Oder wer kümmert sich um die Kleinen?«
»Das Personal unserer Aufzuchtstationen«, antwortete sie leise. »Erst nach den ersten vier Lebensjahren schließen sich die Schlüpflinge der Gesellschaft an, die außerhalb dieser Stationen existiert. Bis dahin bleiben sie im Gewahrsam der Einrichtungen – so sie denn überleben.«
Heißt das, was ich denke? , staunte er entsetzt.
Khatleen-Tarr fuhr fort: »Deinem Schweigen nach zu urteilen, läuft das auf Arkon ein wenig anders. Das dachte ich mir. Aber urteile bitte nicht vorschnell. Dieses Auswahlverfahren dient durchaus einem Zweck.«
»Auswahlverfahren?«, wiederholte er ungläubig. »Ihr lasst euren Nachwuchs im Stich, sodass er in Zuchtstationen stirbt, und findet das völlig in Ordnung?«
»Er stirbt nicht. Er reift.« Sie sagte es mit einer Selbstverständlichkeit, als spräche sie über das Aufgehen der Sonne oder Bismall-Kehns niedrigen Intelligenzquotienten. »Wen die Natur überleben lässt, der kann auch wirklich überleben. Erst dann ist er ein Topsider.«
Fassungslos sah Manoli in die Richtung, in der er sie wusste. Andere Länder, andere Sitten, so sagte das Sprichwort, und das war ja auch alles gut und schön, aber hier ging es um eine bewusste Missachtung des Lebensrechts Schwächerer! Um ... Er zögerte.
Um natürliche Auslese , begriff er plötzlich. So barbarisch mir das Prozedere auch erscheint, hier auf Topsid ist es offenbar ganz normal. Meine Entrüstung fußt darauf, dass ich mit menschlichen Maßstäben messe. Aber ist das vielleicht eher mein Fehler als der ihre? Er wusste es nicht. Nur eines stand für ihn fest: Die Terraner würden sich auch moralisch gesehen einige schwierige Fragen stellen müssen, wenn sie sich lange zwischen den Sternenvölkern halten wollten. Andere Welten, anderer Darwin.
»Die Stärksten kommen weiter«, ließ er seiner Neugier wieder den Vortritt. Urteile konnten warten.
Für einen Moment war ihm, als könne er seine Begleiterin schmunzeln hören . »So ist es. In der Frühzeit unserer Welt sorgte die Natur selbst dafür. Seit wir aber die Segnungen der Zivilisation genießen und nicht mehr in feuchten Erdlöchern hausen, hat die Zahl unserer natürlichen Feinde deutlich abgenommen. In den Aufzuchtstationen gleichen wir das durch die
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