Perry Rhodan Neo 5: Schule der Mutanten (German Edition)
herantrat.
»Über den Abend, als ... es passiert ist.«
»Was gibt's da schon zu sagen? Es gab ein Problem mit Experimenten in einem Nebenraum. Irgendwas mit ausgetretenen Säuredämpfen oder so. Das passiert. Ich bin ja eh wieder der Alte.«
»Das bist du nicht!« Clifford Monterny packte ihn an einem Oberarm und drehte ihn zu sich, sodass er dem Kriegsveteranen ins zerstörte Gesicht blicken musste. »Wir beide wissen, dass du niemals mehr wieder der Alte sein wirst.«
»So? Und warum nicht?« Sid schüttelte die Hand des anderen ab.
»Ihr Kids redet miteinander. Ihr gewinnt möglicherweise Ansichten über unsere Arbeit, die nicht richtig sind.«
»Ach ja?« Sid wollte seinen Blick abwenden. Doch es war schwer, so schwer ... Clifford Monterny strahlte Güte aus. Er wirkte unglaublich vertrauenswürdig. Wenn er von einem Erwachsenen im Lager erwarten durfte, dass er die Wahrheit sagte, dann von ihm.
»Es stimmt, dass wir bestimmte Dinge von euch erwarten. Doch ihr seid Kinder; Doktor Goratschin vergisst das bisweilen. Ich habe mich mit ihm ausführlich über dieses Thema unterhalten ...«
»Er ist der Boss, nicht wahr? Er entscheidet, was in Camp Specter geschieht.«
»Wir beide sind Freunde, Sid. Ich unternehme alles, ihn davon zu überzeugen, dass er Geduld haben muss.«
»Aber er ist der Boss!«, beharrte Sid. »Er kann mich jederzeit wieder zu sich rufen. – Sieh dir doch meine Hände an! Sie sind heller als deine! Wird es dann wieder irgendeinen Unfall geben? Einen, bei dem mein Gesicht so zerstört wird wie deines?«
Monterny wurde blass, zumindest jener Teil seines Antlitzes, der heil geblieben war. »Sag so etwas niemals mehr wieder, Sid«, flüsterte er. »Ich mag dich. Mehr als alle anderen Kinder hier. Aber ich werde derartige Beleidigungen nicht dulden.«
Sid senkte den Kopf. »Entschuldige, Cliff«, sagte er.
»Schon gut.« Monterny nickte ihm zu. »Wir sprechen ein anderes Mal weiter.« Er drehte sich um und ging grußlos davon.
Managua. Der Keller. Die Flucht. Der Todesschuss. Der Polizist, der Xiomara bedroht hatte, und er, der Jüngste, hatte bloß noch den Wunsch gehabt, zu entkommen und sie zu retten.
Wie war es gewesen damals? Wie hatte er es geschafft, diese seltsame Kraft aus sich hervorzuholen?
Sid musste sich daran erinnern! Er musste daran denken, wie er sich gefühlt und was er gedacht hatte.
Es war so schwer. Es brachte all diese Erinnerungen zurück. Da waren Stimmen und Gerüche und Ängste, all diese Ängste.
»Was ist los mit dir?«, fragte Elmer.
»Hm?« Sid schreckte hoch. Er hatte geschlafen, hatte womöglich im Schlaf geredet.
Der Traum ... es war, als würde er sich wieder dort befinden, wo er einstmals gewesen war. Gefangen in seinen Erinnerungen; gefangen in einer Zeit, der er niemals wieder entkommen konnte, sosehr er sich auch bemühte.
»Du bist völlig verschwitzt.« Elmer stand auf, kam rüber zu seinem Bett, legte ihm eine Hand auf die Stirn. »Du hast Fieber.«
»Unsinn! Ich hatte bloß einen schlechten Traum. Das kommt schon mal vor.«
»Erzähl mir davon.«
»Niem...« Sid brach ab.
Warum sperrte er sich derart gegen die Erinnerungen? – Julie Ledge, sowenig er sie auch mochte, hatte ihm immer wieder gesagt, dass man besser leben konnte, wenn man sich seines Selbst bewusst war. Wenn man sich jemandem anvertraute.
Natürlich hatte die Schreckschraube sich selbst gemeint; doch niemals würde er ihr ein Wort dessen erzählen, was in ihm vorging.
Was aber, wenn er mit Elmer sprach? So, wie dieser ihm vom Mord an seinem Vater erzählt hatte?
Sid nahm die Hand des Freundes von seiner Stirn und hielt sie fest, so fest es ging. Er sagte: »Ich bin Chico. Ich komme aus Nicaragua. Aus einer Stadt namens Managua. Ich habe in einem Misthaufen gelebt, der so groß wie dieses verdammte Land ist. Ich habe alles getan, um am Leben zu bleiben. Weil niemand da war, der mich beschützte. Weil ich keine Eltern hatte.«
Die Worte kamen, rasch und rascher, wie sprudelndes Wasser, das nicht mehr aufzuhalten war und alles mit sich riss. Es überwand alle Barrieren, die er sich während der letzten Jahre in Camp Specter aufgebaut hatte, zerstörte all diese Schutzwälle, spülte sie beiseite. Sid wurde wieder zu Chico, und Chico wurde wieder zu jenem Achtjährigen, der in seiner Angst Unmögliches vollbracht hatte.
Glitzernde, goldene Funken umgaben ihn. Sie stammten von ganz woanders her. Sie waren nicht Teil dieser Welt, nicht Teil dieser Realität. Sie
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