Persephones Erbe (German Edition)
vereinigten, war genau zu erkennen. Selbst der kecke aufgerichtete Ziegenschwanz, der aus dem Steiß des Fauns wuchs, verriet seine Ekstase. Die Nixe wirkte fast unbeteiligt. Keinen Meter weiter trieben es eine weitere Nixe und zwei Faune zu dritt. Die klassische Konstellation: Die Nixe verwöhnte im Vierfüßlerstand den Faun, der vor ihr kniete, mit Lippen und Zunge, während sie der zweite von hinten nahm. Beobachtet wurde diese Gruppe von einer weiteren Nixe. Diese Figur lehnte ausnahmsweise allein an der Wand, dafür spielten ihre Finger träumerisch in ihrem Schoß. Ich ging neben ihr in die Hocke. Wie weit der Künstler mit ihrer intimsten Anatomie ins Detail gegangen war, interessierte mich. Soweit sie die Finger preisgaben, waren Schamlippen und Klitoris so präzise gemeißelt, dass sie wie gläsern wirkten. Offensichtlich hatten diese Steinvulva schon viele poliert.
Ich stand auf.
Knapp neben der Nixe räkelte sich ein Faun in der Ecke. Sein Gesicht lag im Schatten, aber sein Körper war so realistisch dargestellt, dass mir die Finger zuckten. Wann bekommt man schon die Chance, einen gut gewachsenen Kerl ungeniert zu begrabschen?
»Kati?«
Ich fuhr herum. Armin erfasste die Lage vor der Sauna mit einem Blick. Ich hörte, dass er tief einatmete. Aber er schaffte es und hielt seine Stimme neutral. »Das Licht ist einfach zu schlecht. Es gibt überall versteckt angebrachte Deckenfluter, doch sie lassen sich nirgends einschalten. Vielleicht geht das von oben aus. An der Rezeption. Komm!«
Wir wollten den Lift benutzen, stellten aber fest, dass er ausgeschaltet war.
»Sparsames Hotel«, brummte Armin.
Einige Minuten, Dutzende tiefer Atemzüge später und etwas verschwitzt – aufwärts machte sich die ungewohnte Höhe der Treppenstufen anstrengend bemerkbar – standen wir wieder im Säulenhof. Er war verlassen. Ein Blick auf die Uhr belehrte mich, dass es erst halb Neun war. Vielleicht war das für die Stammgäste nach ihrer gestrigen Feier zu früh. Auch Armins Ex ließ sich noch nicht blicken. Worüber ich nicht böse war.
»Dann fragen wir eben an der Rezeption.« Mein Chef ging entschlossen Richtung Renaissancegang.
Doch der Tagportier Agreo zögerte, als Armin seine Bitte nach mehr Licht vortrug. »Der Wellnessbereich ist üblicherweise tagsüber nicht …«
Wir hörten schnelle Schritte hinter dem rechten Samtvorhang. Agreo zuckte zusammen. Die alte Portiere wurde so brutal zur Seite gerissen, dass das mürbe Gewebe knirschte. Der Hausmeister baute sich finster vor uns auf. Dann erkannte er mich. Seine Augen glühten auf. »Signorina, das geht nicht. Die Klimaanlage frisst jetzt schon den ganzen Strom. Wenn ich unten die Beleuchtung einschalte, krepiert mir das Hotelnetz.«
Der Widerwille in seiner tiefen Bassstimme verriet mir deutlich, dass er unsere Bitte für eine Zumutung hielt. Mir rann ein Schauer über den Rücken. Ich griff unwillkürlich nach Armins Hand. Die warmen Finger gaben mir den Mut zu protestieren.
»Aber wir sind extra deswegen nach Rom geflogen!«
Mein Einwand passte dem Hausmeister überhaupt nicht, ich sah es ihm an. Ein Muskel zuckte an seiner Wange. Doch nach einer Weile nickte er. »Na gut! Heute Abend, nach dem Gewitter. Versucht es so um Sechs.«
Der Hausmeister warf mir aus halb geschlossenen Augen einen letzten Blick zu, eine Mischung aus lüstern und lauernd. Dann kehrte er uns den breiten Rücken und verschwand.
9.
Der Regen des frühen Morgens hatte inzwischen aufgehört. Ich bereute fast die Winterjacke mit dem Steppfutter, während ich neben meinem Chef durch den milden Morgen ging. Sonne wechselte am Himmel mit dunklen Wolken, richtiges Aprilwetter. Wie es aussah, bekam das Rom schon im März. Ich hoffte nur, daraus wurde später nicht das Gewitter, das der Hausmeister des Tenebre für den Abend prophezeit hatte.
Andererseits, dafür hatte ich die Jacke. Lieber schwitzte ich jetzt ein bisschen, bevor ich nachher nass wurde.
Ich schwitzte bald tatsächlich.
Rom lag auf sieben Hügeln, aber mir reichte bereits dieser eine. Meine Füße brannten jetzt schon.
Zweiter Punkt – wie in allen Großstädten hatte man auch in Rom durch die engen Straßen der Vergangenheit im 19. Jahrhundert Prachtalleen gebrochen – und es hatte nichts genützt. Der Verkehr des dritten Jahrtausends brachte Rom und die Autofahrer an die Kapazitätsgrenze. Der Kreisel am Platz Repubblica e Opera stellte eine Herausforderung dar. Armin und ich schlängelten uns zwischen den
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