Persephones Erbe (German Edition)
fahrenden Autos hindurch. Wir wollten uns, wenn wir schon einmal vor Ort waren, natürlich auch Santa Maria degli Angeli ansehen.
»Hoppla! Dort drüber steht der Malteserrettungsdienst. Polizei auch! Ist da etwas passiert?«
Nein. Wir waren in die Vorbereitungen zu einem Festgottesdienst geraten. Kastenwagen von RAI und privaten Fernsehsendern standen vor der Kirche, Carabinieri und Feuerwehrleute warteten in Bereitschaft. Jede Menge geladener Gäste strömten in die Kirche. Darunter – ich zählte schamlos mit den Fingern mit – sieben Kardinäle.
»Siehst du mal. Was du von mir alles geboten kriegst.« Armin Landgraf nahm mich lachend in den Arm. Ließ mich aber sofort wieder los. Traute er sich nicht mehr? Durch das Auftauchen von Armins Ex im Hotel wurden offensichtlich die Karten neu gemischt. Als ob nicht bereits genügend Fremde mitmischten! Abgesehen von den Stammgästen, von denen mich mindestens Walter ausdrücklich in der Sauna betatschen wollte, waren auch noch der Tagportier und der junge Kellner deutlich an mir interessiert. Wenn nicht sogar der Hausmeister.
Ich dachte an seine glühenden Augen und mich schauderte. Ich hielt den sonoren Bass des Hausmeisters immer noch für die Stimme des Mannes, mit dem ich telefoniert hatte. Er schien alles über mich zu wissen, Dinge, die ich nie gesagt hatte. Er machte mir Angst.
»Ist dir kalt?«
»Nein.«
Weil wir nicht in die Kirche hineinkamen, wanderten wir den Eisengitterzaun entlang, der rechts von Santa Maria degi Angeli einen kleinen grünen Park einschloss. Mitten darin lag das Thermenmuseum mit antiken Statuen und Grabsteinen.
»Die sind alle erstklassig. Aber kein Torso gleicht denen im Souterrain des Tenebre.«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Das hier ist echte Antike. Die Statuen im Hotel sind modern. Mir ist kein Künstler bekannt, der derart obszön ins Detail gegangen wäre.«
»Findest du sie obszön?«
»Sie sind sehr realistisch.«
»Das wohl.«
Der Vormittag verging angenehm. Wir besichtigten alles, jeden einzelnen Stein. Von dem erhaltenen Trakt der Diokletiansthermen mit seinem vielleicht vierzehn Metern hohem Gewölbe, den Grabmonumenten darin und dem Reiterstandbild eines Knaben, bis zu allen drei Stockwerken altitalischer Kunst im eigentlichen Museum. Im Kreuzgang, dem mehr oder weniger letzten Rest des mittelalterlichen Klosters, standen weiteren Statuen. Seit die kirchlichen Einbauten wieder um- und teilweise zurückgebaut worden waren, lag der Garten nach zwei Seiten zu den Häusern des modernen Rom offen. Das Museum nutzte ihn als Open-Air Statuenpark. Überall an den Hecken und an allen vier Wegkreuzungen im Garten standen sie, meistens Köpfe und Torsi von Tieren.
Armin fand besonders den Elefanten sehr lustig. Dem Kopf waren leider Teile der Ohren verloren gegangen, doch mein Chef sagte, Dumbo wäre immer noch neidisch.
»Jetzt weiß ich, woher Disney die Idee hatte.«
Er wirkte gelöst.
Ich war froh. Endlich ein Mann, der meine Interessen teilte, mir freiwillig über mehrere Stunden kreuz und quer durch ein Museum folgte und sogar noch unterhaltsame Kommentare abgab. Obwohl ich gegen Ende des Nachmittags gestand, dass ich allmählich keine neuen Mosaikflächen, Fresken oder gar Marmorleiber mehr sehen mochte.
Wir verbrachten dennoch eine schöne Zeit.
Armin schlich sich vorsichtig und sehr geduldig an mich an. Ich merkte es natürlich. Aber ich hinderte ihn nicht. Von allen Männern, die mir in den letzten beiden Tagen schöne Augen gemacht hatten, war er noch der angenehmste. Gleichzeitig sage ich mir, dass ich verrückt war. Aber es war so entspannt mit ihm.
Zwei Straßen vor dem Tenebre erwischte uns das Gewitter. Regen peitschte fast waagrecht um die Häuser. Ich zog meine Kapuze über den Kopf und rannte. Armin trug keine Jacke, er hätte voraussprinten können. Aber er blieb an meiner Seite, passte auf, dass ich auf dem glatten Kopfsteinpflaster nicht strauchelte.
Unglaublich wie lang sich die letzten fünfzig Meter bis zur Dependence des Hotels zogen. Wir tropften beide, als wir die Treppe zu unserem Zimmer nach oben stiegen. Meine Schuhe und meine Strümpfe waren völlig durchweicht. Und dem Shirt unter meiner Jacke ging es kaum besser.
»Willst du zuerst ins Bad?«
Ich nahm frische Unterwäsche, ein trockenes Shirt und die zweite Jeans aus meinem Koffer, während sich Armin am Fenster die nassen Klamotten vom Leib zerrte. Was für ein Körper! Wenn sein Bauch auch so gut definierte Muskeln
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