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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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»Scheißwetter, nicht wahr?« Dann zog er seinen Ausweis hervor und reichte ihn den Polizisten. Glittner tat es ihm gleich.
    »Routinekontrolle«, grummelte einer der Beamten. »Was tun Sie um diese Zeit hier im Park? Es ist gerade acht Uhr morgens.«
    Der Regen war stärker geworden und fiel in dicken Tropfen vom Himmel. Allemeyer, der im Gegensatz zu Glittner keinen Hut trug, klappte den Jackenkragen höher. Auch den Polizisten tropfte Wasser von den Tschakos auf die Uniformmäntel, lief herunter, hinterließ auf dem Boden einen deutlich sichtbaren blauen Schimmer.
    »Noch immer keine neuen?«, versuchte Allemeyer einen Themenwechsel und zeigte auf das blau gefärbte Wasser. »Ich dachte, die von den Briten umgefärbten Uniformen wären schon längst aus dem Verkehr gezogen worden?«
    »Das wird schrittweise gemacht«, antwortete der Polizist und gab Allemeyer seinen Ausweis zurück. »Sie schulden mir noch eine Antwort auf meine Frage.«
    »Wir gehen spazieren.«
    »Jetzt?«
    »Ja. Wann ist es denn so weit mit der Umstellung? Das ist doch kein Zustand, wie Sie ausgestattet sind.«
    Jetzt erhielt auch Glittner seine Papiere zurück.
    »Da haben Sie allerdings recht«, lachte der andere Beamte. »Aber was sollen wir machen? Es geht halt alles nicht so schnell, wie wir uns das manchmal wünschen.«
    Nun lächelte auch der Ältere. »Auf Wiedersehen, meine Herren. Und für Ihren nächsten Spaziergang suchen Sie sich besseres Wetter aus.«
    »Machen wir.«
    Zum Abschied tippten die Polizisten erneut an die Tschakos.
    »Du hast vielleicht Nerven«, meinte Glittner erleichtert, als sie die Überprüfung hinter sich hatten. Er schaute bewundernd zu Allemeyer hinüber. »Quatschst die einfach auf ihre Uniformen an.«
    »War doch gut so. Hat sie auf andere Gedanken gebracht, oder?«
    Sie gingen weiter.
    »Da ist noch etwas«, nahm Allemeyer ihr Gespräch wieder auf. »Mein Onkel möchte, dass wir ihm einen Gefallen tun.«
    »Welchen?«
    Allemeyer sagte es ihm.
    »Eigentlich wollte ich mit solchen Sachen nichts mehr zu tun haben.«
    »Du willst immer noch nach Argentinien, oder?«, fragte Allemeyer kalt.
    »Ja, natürlich. Aber …«
    »Gut. Dann hilf mir.«
    Glittner dachte einen Moment nach. »Einverstanden. Aber dann will ich das Visum.«
    27
     
    Mittwoch, 4. Oktober 1950
     
    Der Familienfrieden war halbwegs wiederhergestellt, nachdem sich Peter Goldstein bei seiner Frau und – etwas halbherziger – bei seinem Schwiegervater entschuldigt hatte. Der Montagabend war deshalb in gespannter, dennoch friedfertiger Atmosphäre verlaufen. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass Lisbeth einen Schweinebraten zum Abendessen servierte, ein Vergnügen, das sich die Familie sonst nur an Wochenenden gönnte. Der Braten sei, so erklärte Lisbeth vergnügt, günstiger gewesen als üblich. Endlich sei alles verfügbar, vorausgesetzt natürlich, man besitze das nötige Kleingeld.
    Goldstein hatte sich schon länger gefragt, warum nur wenige Tage nach der Währungsreform die Läden voller Waren aller Art gewesen waren. Augenscheinlich hatten die Inhaber die Güter damals gehortet und erzielten nun das Geschäft ihres Lebens. Zwar hatten die Bewohner der Westzonen denselben Betrag als Erstausstattung erhalten, da aber die Sparvermögen nicht eins zu eins ausgeglichen, sondern abgewertet wurden, waren Besitzer von Immobilien und anderer Sachwerte die klaren Gewinner der Umstellung. Manche waren eben gleicher.
    Und nach der Abschaffung der Lebensmittelmarken im letzten Mai konnten die Kunden auf einen Schlag auch diejenigen Güter des täglichen Bedarfs wieder kaufen, die nur einen Tag vorher noch rationiert worden waren.
    Am Mittwochmorgen machte sich Peter Goldstein auf den Weg zum Entnazifizierungs-Grundausschuss. Er wollte dort die Aussage Heinz Breitschneiders überprüfen, um festzustellen, wer den Mann für einen Persilschein bezahlt hatte. Über diesen Auftraggeber erhielt er möglicherweise den Namen des Polizisten, der bei diesem Geschäft mitgeholfen und vermutlich mitverdient hatte.
    Bestechliche Beamten widerten ihn an. Sie hatten im Polizeidienst nichts zu suchen.
    Die Sekretärin des Ausschussvorsitzenden verweigerte ihm zunächst ein Treffen mit ihrem Vorgesetzten. Er sei zu beschäftigt. Sie bot Goldstein einen Termin in drei Tagen an. Der Hauptkommissar wusste, dass er die Angestellte nicht unter Druck setzen konnte. Schließlich war er aus eigenem Antrieb hier. Einen Auftrag hatte er nicht, geschweige denn gab es

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