Persilschein
empfangen. Sie könne sich nur an zwei, drei Situationen erinnern, in denen sie einen Gast Krönerts im Treppenhaus getroffen habe. Einen Mann mit Wintermantel und Hut, der ihren Gruß nicht erwidert habe. Er hatte sein Bein auffällig nachgezogen.
Als sich Peter Goldstein hundemüde von einem Fahrer zu seinem Wohnhaus bringen ließ, fiel ihm auf, dass im Wohnzimmer noch Licht brannte.
Seine Frau und Marianne Berger schlummerten mehr liegend als sitzend nebeneinander auf der Couch.
Er griff Lisbeth an der Schulter und strich sanft über ihre Wange. »Habt ihr auf mich gewartete?«, fragte er, als sie die Augen aufschlug.
»Peter! Gut, dass du endlich kommst.« Sie sah auf die Wanduhr. »Schon fast fünf. Was ist denn passiert?«
Auch Marianne Berger war mittlerweile erwacht. »Ich muss mit dir reden.«
Goldstein seufzte. »Und ich mit dir.«
»Krönert ist ein Verbrecher.« Sie erzählte, was sie zufällig im Central aufgeschnappt hatte. »Kannst du dir einen Reim darauf machen?«
»Ich befürchte ja.« Er atmete tief ein. »Krönert ist tot.«
Wenn Marianne Berger diese Nachricht schockierte, war es ihr zumindest nicht anzumerken. Nur ihre Stimme klang ein wenig belegt. »Wie ist das passiert?«
»Er hat auf mich geschossen.«
Lisbeth blickte ihren Mann entsetzt an. »Bist du unverletzt? Musstest du etwa …?«
»Mir ist nichts passiert. Es war Horst Markowsky. Er hat mir das Leben gerettet.«
»Mein Gott, Peter.« Lisbeth fiel ihrem Mann um den Hals.
Marianne Berger fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Auch wenn Krönert ein Verbrecher war, war er doch ein Mensch gewesen, dem sie nahegestanden hatte. Und jetzt war er tot. Sie wollte allein sein, um die Ereignisse des Tages verarbeiten zu können. Deshalb stand sie auf und entschuldigte sich unter einem Vorwand: »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich gehe. Schließlich muss ich gleich zur Arbeit.«
Eine halbe Stunde später lauschte Goldstein den regelmäßigen Atemzügen seiner Frau, die neben ihm im Ehebett schlief. Wenn Marianne sich nicht verhört hatte, sollte Krönert das vollenden, was ihm am Freitag vor dem Schloss misslungen war. Krönert war tot, aber wer auch immer der Auftraggeber gewesen war, den Marianne gehört, leider nicht gesehen hatte, würde sich dadurch nicht von seinen Absichten abbringen lassen. Also schwebte Müller, selbst wenn er die Schussverletzung überstand, in der Klinik weiter in Lebensgefahr. Und das Schlimmste war: Der Unbekannte schien über Mittel zu verfügen, Saborski unter Druck zu setzen. Außerdem hatte er davon gesprochen, nach Müller zu fahnden. Es war nicht schwer für Goldstein, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Auskünfte in Krankenhäusern erhielten nur Angehörige. Und Polizisten. Als er sich die Tragweite seiner Überlegungen verdeutlichte, war er schlagartig hellwach. Schönberger! Diese Ratte!
Polizeischutz vor Müllers Krankenzimmer schied damit aus. Zu leicht konnte Schönberger eine solche Maßnahme torpedieren. Nein, er musste sich etwas anderes einfallen lassen.
59
Sonntag, 22. Oktober 1950
Johann Bos genoss bei strahlender Herbstsonne Kaffee mit einem Schuss Cognac auf seinem Stammplatz an einem der hohen Fenster im Central Café . Er überdachte seine Situation. Die Sache mit Lahmer und Müller entwickelte sich immer mehr zum Problem. Die Polente schnüffelte überall herum und erschwerte seine Geschäfte zusätzlich. Möglicherweise musste er sich von der Organisation trennen und unabhängig von ihr operieren.
Obwohl: Bislang hatte er von dieser Zusammenarbeit profitiert. Lahmer und Müller hatten ihm wertvolle Tipps gegeben, wo etwas zu holen war. Und sie nahmen ihm besonders heiße Ware ab und zahlten einen anständigen Preis dafür. Zwar waren ihre Provisionen nicht gerade gering gewesen, aber der Kuchen groß genug für alle. Nun waren beiden tot. Was also hielt ihn noch?
Jemand trat an seinen Tisch und Bos sah hoch. Schönberger. Ausgerechnet.
»Darf ich?« Ohne eine Antwort abzuwarten, zog der Kriminalpolizist einen Stuhl heran und setzte sich. Mit einer Handbewegung gab er dem Kellner zu verstehen, dass er im Moment keine Wünsche habe. Dann beugte er sich zu Bos herüber. »Krönert wurde erschossen«, sagte er kalt. »Von der Polizei«.
Bos wurde blass. Sein engster Mitarbeiter. »Woher weißt du das?«, fragte er mit stockender Stimme.
Schönberger war das Erschrecken seines Gegenübers nicht entgangen. Diese Situation wollte er auskosten. »Dumme Frage.
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