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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Probst
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Erweckungserlebnis. Kurz vor dem Abitur hatte er erklärt, dass er Theologie studieren wolle.
    Seither waren nur fünf Jahre vergangen, aber ihr Sohn würde nie Priester werden. Ein Unglück war geschehen, einunfassbares Unglück. Der Polizist, der sie wegen der DN A-Analyse um eine Zahnbürste von Matthias gebeten hatte, erklärte ihr, sie könne nicht von ihrem Sohn Abschied nehmen. Der Zustand der Leiche erlaube das nicht.
     
    Schwarz war mit dem Auto auf dem Weg nach Untermenzing und spürte eine wachsende Unruhe, weil er seinem alten Zuhause immer näher kam.
    Wie es Monika wohl ging? Ob sie sehr unter der endgültigen Trennung litt? Er verbot sich den Gedanken und überlegte stattdessen, wie es ihm selbst ging. Fehlte Monika ihm? Zu seiner Überraschung hatte er seit seinem letzten Besuch kaum einen Gedanken an sie verschwendet.
    Aber er hatte sie doch so geliebt. Er hatte gelitten wie ein Hund, als sie ihm den Auszug nahegelegt hatte. Wie viele Nächte war er vor Sehnsucht nach ihr wach gelegen? Er hatte die Demütigung akzeptiert, dass sie diesen Langweiler von Justus ihm vorzog. Er hatte sich sogar darauf eingelassen, dass sie ihn zu ihrem heimlichen Geliebten degradierte – alles aus Liebe.
    Wo war diese Liebe jetzt? War sie vielleicht schon länger nur noch eine Wunschvorstellung gewesen? Hatte er nur aus Trotz an ihr festgehalten?
    Es wäre vielleicht nicht dumm, dachte Anton Schwarz, über dieses Thema gelegentlich mit jemandem zu reden. Es soll ja heilsam sein, nicht alles mit sich allein auszumachen. Leider fiel ihm niemand ein, dem er sich anvertrauen wollte. Früher hatte er solche Dinge mit Monika besprochen.
     
    Er war jetzt noch knapp zwei Kilometer von Münchens schönstem Reihenmittelhaus entfernt – er kam ihr immer näher. Da, endlich konnte er von der Pippinger Straße nach links zu der von Engler notierten Adresse abbiegen. Er parkteseinen roten Alfa 146 und stieg aus. Er musste die Türen einzeln mit dem Schlüssel absperren, weil die Zentralverriegelung seit einiger Zeit streikte.
    Das Haus, in dem Matthias Sass gelebt hatte, lag hinter einer ordentlich geschnittenen Thujenhecke. Das schmiedeeiserne Tor war geschlossen. Schwarz klingelte, lehnte sich an das dunkelbraun gestrichene Mülltonnenhäuschen und wartete. Durch das Milchglas eines langen, schmalen Fensters sah er eine Gestalt die Treppe herunterkommen.
    Eine kleine Frau im dunklen Kostüm öffnete die weiß lackierte Haustür. »Ja, bitte?«
    »Mein Name ist Schwarz. Frau Sass, ich komme wegen Ihres Sohns.«
    Sie war bleich und sah ihn aus rot geränderten Augen an, als verstünde sie nicht, was er gesagt hatte.
    »Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
    Sie nickte und drückte den Türöffner.
    Irmgard Sass führte ihn an Ölbildern mit Blumenmotiven und einem grünen Kachelofen vorbei zum Esszimmer. Sie zeigte stumm auf die Eckbank. Schwarz nahm unter dem Kruzifix mit Blick auf einen bemalten Bauernschrank Platz.
    »Sie sind vom Bestattungsdienst, nicht wahr?«
    »Nein, ich bin Privatermittler. Der Sohn des Lokführers hat mich beauftragt.«
    »Dann sollen Sie sein Beileid übermitteln? Danke, das wäre nicht nötig gewesen. Der Lokführer kann ja nichts dafür, dass Matthias den Zug übersehen hat.«
    Schwarz stutzte und versuchte, an ihrer Miene abzulesen, ob sie den Selbstmord zu vertuschen suchte oder sich in eine Scheinwelt geflüchtet hatte.
    Sie sah ihn unverwandt an.
    »Wann ist denn die Beerdigung, Frau Sass?«
    »In drei Tagen. Er wird bei meinem Mann drüben auf dem Friedhof liegen.«
    Schwarz’ Blick fiel durch eine Fenstertür in den gepflegten Garten. In einem Vogelbecken badete eine Amsel. Die Johannisbeerbüsche und ein Kirschbaum trugen gut.
    »Wissen Sie, dass mein Sohn Priester werden wollte, Herr Schwarz?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Er war im vierten Semester Theologie. Im Herbst sollte er ins Priesterseminar ziehen. Sind Sie katholisch?«
    »Ja   … nein«, sagte Schwarz.
    Frau Sass sah ihn fragend an.
    »Ich bin nicht sehr gläubig.«
    Sie lächelte milde. »Matthias war schon als Kind so fromm. Er ist lieber zur Maiandacht gegangen als zum Fußball spielen.«
    »Wie fanden das seine Freunde?«
    »Er hatte eigentlich keine. Das ist der Preis, wenn man so anders ist als die anderen.«
    »Das hat sich in letzter Zeit bestimmt geändert, oder? Im Studium war er unter Gleichgesinnten. Da geht man schon mal aus mit den Kollegen.«
    »Er war lieber zu Hause, hat studiert und gebetet.«
    »Dürfte ich mal

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