Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Probst
Vom Netzwerk:
gegen den ESV Neuaubing gefahren. Sie hatten zu ihrer eigenen Überraschung gewonnen und waren dafür hinterher vom Gegner verprügelt worden. Der Trainer des ESV hatte die Schlägerei schließlich eigenhändig beendet und zur Versöhnung auf Kakao und Krapfen ins Vereinsheim geladen.
    Da kein Geretsrieder Lust auf einen Besuch in der Höhle des Löwen hatte, wurde Schwarz als ältester Spieler dazu bestimmt, den Friedenswillen seiner Mannschaft zu beweisen.
    Plötzlich war er unter lauter Buben gesessen, die in zwei, drei Jahren eine Lehre bei der Eisenbahn beginnen würden, weil auch ihre Eltern dort arbeiteten. Sie wohnten in Eisenbahnersiedlungen, Eisenbahnerärzte impften sie, Eisenbahnerzahnärzte zogen ihnen die Milchzähne. Sie spielten in Eisenbahnersportvereinen Fußball und Handball. Sie rannten, boxten und schossen mit Kleinkalibergewehren – und alles mit dem Wappen des ESV auf der Brust.
    Seine Mutter lachte. »Hinterher hast du mich gefragt, warum es England, Deutschland, aber nicht Bahnland gibt.«
    »Bahnland ist abgebrannt«, sagte Schwarz.

25.
    Am nächsten Tag stieg Anton Schwarz in einen Regionalzug. Er sollte ihn zu dem Holzverladebahnhof bringen, an dem Klaus Engler in jener Nacht den Güterzug übernommen hatte.
    Zwei Stunden zuvor hatte der Ermittler mit seinem Auftraggeber telefoniert.
    »Ich habe nachgedacht, Herr Engler. Falls die Hypothese stimmt, dass der Selbstmörder Ihrem Vater nicht zufällig vor die Lok gelaufen ist, muss er gewusst haben, wann und mit welchem Zug er fährt?«
    Thomas Engler hatte einen Moment lang verblüfft geschwiegen. »Ja klar, stimmt.«
    »Wer kennt den Dienstplan?«
    »Der Lokführer   … und der Fahrdienstleiter natürlich.«
    »Würde der die Information, wann genau ein Lokführer eine bestimmte Stelle passiert, weitergeben?«
    »An einen Fremden sicher nicht.«
    »Wie ist es mit den Kollegen? Denen am Holzverladebahnhof zum Beispiel? Würden sie jemandem, den sie nicht kennen, Auskunft geben?«
    »Nein, eigentlich nicht. Übrigens gelten Lokführer als ziemlich introvertiert.«
    »Ich werde mein Glück versuchen. Aber dazu müssen Sie mir ein paar Tipps geben.«
    »Was für Tipps denn?«
     
    Der Zug fuhr inzwischen durch das Dachauer Hinterland mit seinen kleinen, verstreuten Dörfern. Auf den Feldern waren Traktoren und Erntemaschinen unterwegs. An den Ufern eines kleinen Sees drängten sich die Sonnenhungrigen, als wäre es ein Strand am Mittelmeer. Ein Hubschrauber flog über sie hinweg.
    Dann bremste der Zug plötzlich und blieb stehen.
    Schwarz entfaltete eine Zeitung, die jemand zwischen Sitz und Wandverkleidung gesteckt hatte. Er las einen spitzzüngigen Kommentar zur geplanten Privatisierung der Bahn und den Bonuszahlungen in Millionenhöhe, auf die der Vorstand sich freuen durfte, egal wie viel Volksvermögen er verschleuderte. Schwarz kannte sich in Wirtschaftsfragen nicht sonderlich gut aus, umso mehr wusste er von menschlichen Abgründen, von Geldgier und Machtbesessenheit. Er blickte auf ein Foto, das die Bahnspitze zeigte, und studierte die Gesichter der Männer, die mit allen Mitteln den Börsengang durchzusetzen versuchten. Könnte sein, dachte er, dass der Artikel gar nicht so polemisch ist, wie es scheint.
    Zwanzig Minuten später stand der Zug immer noch.
    Bislang hatte niemand es für nötig gehalten, die Fahrgäste über Grund und voraussichtliche Dauer des Aufenthalts auf freier Strecke zu informieren. Nun bat der Zugchef wegen eines »Notarzteinsatzes« um Geduld.
    Nach der gestrigen Pressekonferenz wusste Schwarz, dass es sich möglicherweise um eine Verharmlosung handelte und nicht der Notarzt-, sondern bereits der Leichenwagen unterwegs war. Genauso gut aber konnte es sich um eine technische Störung an einem Signal, einer Weiche oder dem Triebfahrzeug selbst handeln. Da die Bahnkunden nach den vielen Zwischenfällen der letzten Zeit mittlerweile an der Sicherheit der Züge zweifelten, schob man vermutlich auch in solchen Fällen lieber den Notarzt vor. Das klang nach höherer Gewalt und nicht nach Missmanagement.
    Schwarz vertiefte sich in ein Kreuzworträtsel, ein Zeitvertreib, den er sich eigentlich für das Rentenalter hatte aufsparen wollen. Da ging die Fahrt plötzlich weiter. Der Zugchef dachte nicht daran, sich zu entschuldigen, und verlas nur eine Liste der Anschlusszüge, die nun nicht mehr erreicht werden konnten.
     
    Am Holzverladebahnhof angekommen, sah Schwarz zuerst eine Weile fasziniert zu, wie ein

Weitere Kostenlose Bücher