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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Probst
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dich zusammen!« Seit Kolbinger eine weitere Stufe auf der Karriereleiter erklommen hatte, legte er plötzlich Wert auf Political Correctness.
    »Der Buchrieser will doch nur zeigen, wie gebildet er ist«, sagte Schwarz. »Wer weiß schon, dass dieser Stadtteil eine jüdische Gründung ist?«
    »Unser Harlaching?« Buchrieser fiel die Kinnlade herunter. Als er Schwarz’ Grinsen bemerkte, hielt er ihm ein Stück Wurst hin. »Sag feig!«
    »Kannst du mal aufhören, ihn zu provozieren?«, sagte Kolbinger.
    Schwarz griff nach der Wurst, biss ein Stück ab und kaute. »Hm, die waren hier auch schon mal besser.«
    »Nichts für ungut, Toni«, sagte Buchrieser, und sie stießen an. »Und was bist du jetzt wirklich?«
    Ein Judenkuckuck, der in einem Egerländer Nest groß gezogen wurde, dachte Schwarz. Aber das war ihm zu privat. »Wenn ich es rausgefunden habe, sage ich es dir.«
    Buchrieser bot ihm noch ein Stück Wurst an, aber diesmal lehnte er ab. Schweinswürstchen hatten ihm eigentlich nie geschmeckt, genauso wenig wie Schweinsbraten. Wenn er nachdachte, hatte es beides bei ihm daheim nie gegeben – auch keine Kassler Rippchen, keine Lendchen und keine Schweinshaxe. Das völlige Fehlen von Schweinefleisch auf der häuslichen Speisenkarte hatte er aber nie wahrgenommen, weil seine Mutter stattdessen Lamm, Rind oder Huhn aufgetischt hatte.
    Ob sie das bewusst so gehandhabt hatte? Ihre angebliche Allergie gegen Meeresfrüchte sprach dafür. Auch ihre Eigenart, den Braten, meistens ein Hühnchen, nicht wie die anderen Bewohner von Waldram am Sonntag, sondern am Freitagabend zu servieren.
    Außerdem war er beschnitten.
    Seine Mutter hatte zwar immer die lustige Geschichte zum Besten gegeben, wie er auf einem Kindergeburtstag plötzlich nicht mehr pinkeln konnte und bald darauf operiert werden musste. Aber auch diese Anekdote kam ihm inzwischen fragwürdig vor.
    Hatte sie etwa, nach außen hin immer die perfekte Egerländerin, zu Hause klammheimlich doch einige jüdische Traditionen gepflegt?
    »Was schaust du denn so kariert, Anton«, sagte Buchrieser und hielt ihm das Bierglas zum Anstoßen hin.
    »Prost.«
    »Prost, Toni. Du hast am Telefon gesagt, wir können dir vielleicht helfen.«
    »Stimmt.«
    »Geht es immer noch um den Bahnsuizid?«
    »Ja. Inzwischen weiß ich sicher, dass der Selbstmörder von jemandem begleitet wurde.«
    »Und?«
    »Dieser Mann hat alles daran gesetzt, Matthias Sass dazu zu bringen, dass er sich vor den Zug wirft.«
    »Mit welchem Ziel denn?«
    »Er wollte den Lokführer treffen, was er auch erreicht hat: Klaus Enger ist immer noch in der Psychiatrie.«
    »Woher hat er gewusst, dass Engler genau zu diesem Zeitpunkt an der Stelle vorbeifährt?«
    »Er kannte den Dienstplan.«
    Kolbinger mischte sich ein. »Wir haben drüben an den Gleisen eine Razzia gemacht.«
    »Ich weiß. Aber das war nicht deine Abteilung?«
    »Doch. Meine neue.«
    »Das heißt, du bist jetzt für die Rechten zuständig? Ausgerechnet du?«
    Kolbinger warf ihm einen warnenden Blick zu. »Wir haben neben den üblichen Schmierereien auch eine konkrete Drohung gefunden.«
    Schwarz nickte. »Tötet Engler. Was habt ihr unternommen?«
    »Nichts, ehrlich gesagt.«
    »Also, ich verstehe das alles nicht«, sagte Buchrieser, »das ist doch total verrückt. Wer hat was davon, wenn ein Lokführer in die Klappse kommt?«
    »Das weiß ich nicht. Noch nicht.« Schwarz’ Blick verlor sich irgendwo zwischen den Kustermannsäulen, die das Gewölbe der Bierhalle stützten.
    »Also, was können wir für dich tun?«, fragte Kolbinger.
    »Ich brauche die Namen.«
    »Unmöglich, Anton.«
    »Welche Namen denn?«, sagte Buchrieser.
    »Die Namen der Neonazis, die wir bei der Razzia aufgegriffen haben«, sagte Kolbinger seufzend.
    »Musst du eigentlich immer Nazis jagen, weil du ein Jude bist, Toni?«
    »Ich glaube, dieses Mal genügt es mir, wenn ich mit ihnen rede.«
    »Ich darf dir die Namen nicht geben, Anton«, sagte Kolbinger. »Es sei denn   …«
    »Was?«
    »Du informierst mich sofort, wenn du auf etwas strafrechtlich Relevantes stößt.«
    »Kannst dich drauf verlassen«, sagte Schwarz.
    Dann ließ er sich zu einem zweiten Bier überreden. Er hatte sich in der Vergangenheit nicht selten über die ehemaligen Kollegen geärgert, über Buchriesers fragwürdige politische Ansichten und Kolbingers Opportunismus. An diesem Abend genoss er es, Freunde bei der Polizei zu haben. Das dritte und vierte dunkle Bier allerdings trank er weniger aus

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