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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Probst
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Luisa ihn auch noch. »Ich finde es prima, dass du den Mut gehabt hast.«
    »Den Mut?«
    »Ja sicher: Es gehört doch wohl eine Menge Mut dazu, nach zwanzig Jahren einen Schlussstrich zu ziehen. Aber es ist wirklich das Beste für euch beide. Mama hat Justus und du kannst noch mal richtig durchstarten.«
    Schwarz’ Zunge klebte am Gaumen, seine Gedanken schlugen Purzelbäume. Er versuchte, zu begreifen, was Luisa da gerade gesagt hatte. Begrüßte sie wirklich seine Trennung von Monika? Beglückwünschte sie ihn sogar?
    »Mama habe ich übrigens dasselbe gesagt, als sie sich bei mir ausgeheult hat.«
    Schwarz spürte einen Stich in der Brust. »Monika hat geweint?«
    »Ja, sie ist ziemlich fertig. Ich denke, sie begreift erst jetzt, was sie an dir gehabt hat.«
    Schwarz starrte auf das Glas mit dem Sorbet, das sich komplett im Wodka aufgelöst hatte. Zu seiner Überraschung bereitete es ihm keine Genugtuung, dass Monika, die ihn jahrelang mit Justus gequält hatte, nun litt. »Du meinst, es nimmt sie richtig mit?«
    »Papa, Vorsicht! Werd jetzt bloß nicht schwach«, sagte Luisa mit strenger Miene. »Mama ist ein Machtmensch, sie hasst es, wenn ihr die Fäden aus der Hand genommen werden.«
    »Das verstehst du falsch, Luisa. Für sie war es auch mal die große Liebe.«
    Luisa nahm seine Hand und lächelte aufmunternd. »Trotz dem .«
    Was für eine große, kluge Tochter ich habe, dachte Schwarz gerührt. Sie ist vernünftiger als Monika und ich zusammen. Jetzt muss sie sich nur mal wieder verlieben, damit sie auch mal unvernünftig sein kann.

32.
    Als Anton Schwarz nach Mitternacht in seine Wohnung kam, war er wieder so gut wie nüchtern, aber todmüde. Der Anrufbeantworter blinkte. Er hoffte insgeheim auf eine Nachricht von Eva, aber es war Novalis, der Administrator des Suizidforums. Er bat ihn dringend, in seine Mails zu schauen. Schwarz fuhr genervt den Computer hoch. Während er wartete, fiel ihm auf, dass sein Ficus wieder mal kurz vor dem Ableben war. Er überlegte, ob er ihn endgültig sterben lassen sollte, hatte aber das ungute Gefühl, die bewusste Auslöschung einer unschuldigen Pflanze könne Unglück bringen. Er suchte nach der Gießkanne, fand sie nicht und behalf sich mit einem Bierglas. Wieso goss seine Mutter eigentlich nie? War sein gestörtes Verhältnis zu Zimmerpflanzen etwa auch ein Erbteil?
    Inzwischen war der Computer bereit. Er staunte, als er die neueste Mail öffnete: »Zuletzt hat Sass minutenlang hinter einem Stützpfeiler gewartet, bis der Zug kommt. Er hat genau gewusst, was er tut, und sogar, wer die Lok fährt.«
    Novalis hatte ihm die ganze Diskussion gemailt, die ein gewisser Abaddon angezettelt hatte. Nur diese Zeilen hatte er fett hervorgehoben und mit drei Ausrufezeichen versehen.
    Schwarz verstand den Grund für seine Aufregung gut. Abaddon wusste etwas, das nur wenige wissen konnten: Amok, Buchrieser, Kolbinger, Thomas Engler, mit gewissen Einschränkungen der Gleisarbeiter Edi und natürlich er selbst.
    War Matthias Sass bei seinem Suizid womöglich nicht nur von Amok, sondern von weiteren Personen begleitet worden? Von den beiden Glatzköpfen vielleicht, die vor dem Lokomotivführerbau herumgelungert hatten? Aber dann hätte Edi sie doch gesehen. Außerdem passte Abaddons Sprache überhaupt nicht zum Jargon der Naziszene.
    Plötzlich tauchte der Name Thomas Engler vor ihm auf. Thomas Engler, den er über sämtliche ihm bekannten Details der Tat und auch über www.muenchner-freitod.de informiert hatte. War es denkbar, dass jemand wie er den Leuten im Forum die Augen öffnen wollte? Er hatte ja bereits mit seiner Reportage ›Der Schatten über den Schienen‹ bewiesen, wie wichtig ihm dieses Anliegen war. Schwarz fragte sich trotzdem, ob ein Mann, der im Alltag mit Staatssekretären und Chefredakteuren verkehrte, sich tatsächlich auf eine Diskussion in einem so abseitigen Forum einlassen würde. Was versprach er sich davon, wenn er sich vor völlig unbekannten Menschen so aus dem Fenster lehnte? Hatte er seine Emotionen womöglich weit weniger unter Kontrolle, als Schwarz es bisher angenommen hatte? Und war es wirklich das Mitgefühl für seinen Vater, das ihn in ein solches Forum trieb?
     
    Am nächsten Morgen beobachtete Anton Schwarz schlaftrunken seine italienische Espressomaschine auf dem Herd und versuchte, den Moment vorherzusagen, in dem sie plötzlich zu sprudeln begann. Wie immer verlor er die Wette gegensich selbst, dafür genoss er den ersten Schluck aus der

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