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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Probst
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längere Beziehung.«
    »Vielleicht war unser Beispiel so abschreckend.«
    »Nicht abschreckender als das anderer Eltern, denke ich.«
    Monika lächelte. »Oder wir haben sie entmutigt, weil wir so perfekt waren.«
    »Das nun auch wieder nicht.«
    »Sie wird einfach noch nicht den Richtigen gefunden haben.«
    »Gibt es den Richtigen, Monika?«
    Sie wich seinem Blick aus und wechselte das Thema. »Wie geht es denn jetzt mit deiner Mutter weiter?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Bei mir in der Nähe wird ein Haus saniert. Da soll eine Art Alten-WG entstehen.«
    »Du weißt, dass Mama sehr speziell ist.«
    »Es wäre sicher eine Umstellung für sie, aber in der ersten Zeit könnte ich mich gern um sie kümmern.«
    »Das würdest du tun?«
    »Wieso nicht? Ich habe mich nicht von Hildegard getrennt, sondern von dir.«
    Ich habe mich von dir getrennt, meine Liebe, dachte Schwarz. Aber er sagte: »Stimmt.«
    Sie tranken jeder noch drei Bier, lachten und husteten. Jo hatte wirklich sein allerschärfstes Curry aufgetischt.
    Zum Abschied küssten sie sich auf die brennenden Lippen. Aber nur kurz.

39.
    Später saß Schwarz inmitten hunderter alter Zeitungsartikel auf dem Boden und zerbrach sich den Kopf über ein vernünftiges System. Es müsste funktionieren wie bei ›Google‹, dachte er. Ich suche einen bestimmten Begriff und finde sofort die passenden Artikel. Nur: Wie sollte er das hinkriegen? Dazu müsste er alle Artikel einzeln einscannen. Er besaß gar keinen Scanner, aber den könnte er sich zulegen, zusammen mit einer Software, die wie eine Suchmaschine funktionierte.
    Schwarz stutzte. Was war dann der Vorteil gegenüber ›Google‹ oder ›Yahoo‹, die Zugriff auf Millionen solcher Artikel hatten?
    Der Unterschied ist, dass
ich
diese Artikel gesammelt habe, dachte er trotzig.
    Er blätterte und las da und dort einige Sätze. Dann fiel sein Blick auf die Aufnahme eines Mannes, der im Halbprofil neben einer Lok stand. Es war Klaus Engler.
    Klaus E. ist ein nachdenklicher und zurückhaltender Mensch. Er drängt sich nicht in den Vordergrund, sein Platz ist auf dem Bock – im einsamen Führerraum einer Lokomotive der 140er Baureihe. Er weiß, welche Verantwortung
er trägt, wenn er hunderte Tonnen Holz von Augsburg nach Zell am See transportiert. Er erfüllt seine Pflicht mit absoluter Konzentration und größter Umsicht. Klaus E. gehört zu den Menschen, denen man blind vertraut, auf ihn kann man sich hundertprozentig verlassen. Einer wie er würde vor der Fahrt nie einen Tropfen Alkohol anrühren oder sich im Dienst ablenken lassen – nicht einmal von den eigenen Sorgen. Und Klaus E. hat Sorgen, denn er weiß, welches Risiko mit jeder Fahrt verbunden ist.
    Schwarz versuchte, sich vorzustellen, wie dieser Text auf Achim Grenzebach gewirkt haben musste. Wenn seine Aussage vor der Polizei der Wahrheit entsprochen hatte, war sein Bild von Engler ein völlig anderes. Für ihn war er kein stiller, tragischer Held, sondern verantwortungslos und brutal. Ein Monster.
    Schwarz griff zu dem Foto, das Kolbinger ihm per Kurier hatte zustellen lassen. Er legte es neben den Artikel – den in einer Fluchtbewegung aufgenommenen, zerbrechlich wirkenden Grenzebach neben den vierschrötigen, fast einen Kopf größeren Lokführer.
    Wer war der Täter, wer das Opfer?
    Ein weiterer Zeitungsausschnitt fiel Schwarz in die Hände. Er war zu Beginn des Lokführerstreiks verfasst, der das Land über Monate in Atem gehalten hatte. Auch Klaus Engler wurde darin zitiert. Er verteidigte am Rande einer Veranstaltung die Forderung der Gewerkschaft der Lokführer nach weniger Arbeitszeit – 40 statt 41   Stunden – und deutlich höheren Löhnen: »Wenn ein vierzigjähriger Lokführer im Monat 1500   Euro verdient, entspricht das in keiner Weise seiner Verantwortung für Mensch und Material«. In dem Artikel, der offen für die Streikenden Partei ergriff, wurde auch auf die Gehälter der acht Vorstandsmitglieder der Bahn hingewiesen. Sie seien kürzlich von 12,5 auf über 20   MillionenEuro gestiegen. Der Aufsichtsrat dürfe sich sogar über eine Steigerung seiner Bezüge um 288   Prozent freuen.
     
    Die Wohnungstür öffnete sich, Hildegard Schwarz trat auf Zehenspitzen ein. Ihre Schuhe trug sie in der Hand.
    »Ich bin noch wach, Mama.«
    »Ah, gut.«
    Sie war vor ihrem Konzertbesuch offenbar noch schnell beim Friseur gewesen und hatte den gewohnten violetten Schimmer ihrer Dauerwelle durch einen dezenten Silberton ersetzt. Zum schwarzen

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