Personenschaden
Schwarz. Wir wissen beide, dass es unser Mann war.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Schauen Sie sich doch um. Man kann seinen Hass förmlich spüren.«
»Er hasst Ihren Vater, nicht Sie.«
»Er ist ein Irrer. Wahrscheinlich hasst er uns alle.«
Schwarz ließ den Blick über das Chaos schweifen, das der Einbrecher hinterlassen hatte. Möglicherweise hatte er mit den Zerstörungen von seiner eigentlichen Absicht ablenken wollen. Aber was hatte er gesucht? »Sagt Ihnen der Name Grenzebach etwas?«
Engler überlegte kurz. »Nein.«
»Achim Grenzebach aus Otterfing?«
»Nie gehört.«
»Vor zehn Jahren war Ihr Vater als Fahrer einer S-Bahn in einen Unfall verwickelt.«
»Wirklich?«
»Dieser Grenzebach hat damals sein Bein verloren. Davon wissen Sie nichts?«
Er schüttelte den Kopf. »Vor zehn Jahren? Warten Sie. Ja, klar, da war ich im Ausland. Boston, ich hatte ein Stipendium.«
»Und später hat Ihr Vater auch nichts erzählt?«
Er schüttelte den Kopf.
»Merkwürdig. Meinen Sie, er hat Ihnen den Vorfall bewusst verschwiegen?«
»Das weiß ich nicht, ich …« Er rang nach Worten. »Also, unsere Beziehung war nie sehr eng.«
»Wirklich? Ich hatte den Eindruck, dass Sie und Ihr Vater sich ganz gut verstehen.«
»Ja, in den letzten Monaten hat unser Verhältnis sich entkrampft.«
»Das heißt, vorher war es verkrampft?«
»Mein Gott, Herr Schwarz, Sie drehen einem auch jedes Wort im Mund um.«
»Ich höre nur genau zu.«
Er seufzte tief. »Mein Vater ist Lokführer, mein Großvaterwar auch einer,
ich
habe studiert und bin Journalist geworden. Da sind die Konflikte vorprogrammiert. Die beiden haben nie verstanden, dass ich mehr vom Leben will, als Züge von München nach Rüsselsheim oder von Augsburg nach Zell am See zu fahren.«
»Dann sind Sie auch noch zur Presseabteilung der Bahn gegangen und waren beim Lokführerstreik sozusagen auf der anderen Seite der Barrikade.«
»›Der Barrikade‹. Sie reden ja schon wie mein Großvater. Aber es ist richtig, dass die beiden völlig unter dem Einfluss der Propaganda ihrer Gewerkschaft standen.«
»Der Propaganda?«
»Ja, da wurden ganz gezielt Fronten aufgebaut – hier die armen ausgebeuteten Lokführer, dort der böse geldgierige Vorstand. Die Atmosphäre bei uns zu Hause war so aufgeheizt, dass das geringste falsche Wort von mir zum Eklat geführt hat. Das hat sich erst etwas beruhigt, als die Stimmung in der Bevölkerung gekippt ist.«
»Jetzt müssen Sie mir helfen, Herr Engler. Ich habe das nicht mehr so präsent.«
»Na ja, anfangs hatten die Leute ja durchaus Verständnis für die Anliegen der Lokführer. Aber je länger der Streik dauerte, umso mehr schwand die Sympathie in der Bevölkerung. Am Ende hatten die Lokführer die öffentliche Meinung komplett gegen sich. Das belegen alle Umfragewerte.«
»Verstehe.« Schwarz schob gedankenverloren mit dem Fuß Porzellanscherben zu einem Haufen zusammen. »Kann es sein, dass Sie durch den Tim-Burger-Suizid eine Chance gesehen haben, wieder auf Ihre Familie zuzugehen?«
Engler schwieg.
»Sie konnten zeigen, dass der verlorene Sohn ein guter Sohn ist.«
»Das klingt mir zu pathetisch.«
»Hm. – Herr Engler, macht es Ihnen was aus, noch mal zu überprüfen, ob der Einbrecher wirklich nur ein paar hundert Euro mitgenommen hat?«
»Was soll das bringen?« Engler, der gerade noch erstaunlich offen über seine Familie gesprochen hatte, ging schlagartig wieder auf Distanz.
»Vielleicht finden wir irgendeinen Hinweis, was der Verdächtige noch vorhaben könnte.«
Er lachte höhnisch. »Er hat uns bestimmt eine Nachricht hinterlassen.«
»Herr Engler, die Polizei wird Sie das auch fragen. Vielleicht sehen Sie sich noch mal um.«
»Das muss ich nicht.«
»Der Täter war oben an Ihrem Arbeitsplatz.«
»Ja, um den Drucker zu zerdeppern.«
Schwarz blickte ihn an. »War er nicht an Ihrem Computer?«
Engler zögerte einen Moment. »Nein, das war ich. Ich habe kurz meine Termine synchronisiert.« Er hielt zum Beweis sein Notebook hoch.
»Ist Ihnen vielleicht aufgefallen, ob die Maus anders lag?«
Engler starrte ihn drei, vier Sekunden lang an und setzte dann ein geringschätziges Lächeln auf. »Herr Schwarz, ich merke mir doch nicht, wie meine Maus liegt.«
»Verstehe. Dann sollten Sie jetzt die Polizei rufen.«
»Das werde ich tun. Was bin ich Ihnen schuldig?«
Schwarz sah ihn fragend an.
»Was denn? Ich betrachte den Auftrag als erledigt.«
Was ist der Grund für diesen plötzlichen
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