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Perth

Perth

Titel: Perth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Martin
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dass sie geflüchtet war. Im Geiste sah ich sie bereits schwer verletzt und blutend an einem Straßenrand liegen, während Autos nur wenige Zentimeter an ihrem Kopf vorbeirasten.
    »Oje, sie muss sich vor Kummer nach uns verzehrt haben, das arme Hündchen, ganz alleine, Tag für Tag«, weinte Cindy. »Wir werden sie nie wieder sehen! Wir hätten nie hierher kommen und sie die ganze Zeit alleine lassen sollen !«
    Aber was sollten wir jetzt tun? Wir versuchten, Mrs. Roy anzurufen, um etwas Genaueres zu erfahren, aber es war unmöglich, sie zu erreichen. Darm fragten wir bei der Fluggesellschaft an, ob es möglich sei, unsere Tickets umzubuchen, damit wir sofort nach Vermont zurückkehren konnten, um Perth zu suchen. Aber die zusätzlichen Kosten für den Nachhauseflug überstiegen unser mageres Budget bei weitem. Es war noch Juni, und unser Rückflug ging erst Ende August. Wir konnten nichts tun, außer zu warten — und darauf zu vertrauen, dass Perth, wo immer sie auch hingelaufen war, genügend Intelligenz und Instinkt besaß, um zu überleben. Ihre genialen Fähigkeiten, ihren Weg zu finden und auf sich zu achten, die sie immer unter Beweis gestellt hatte, würde sie nun mehr als je zuvor einsetzen müssen. Wir waren fünftausend Kilometer weit entfernt. Sie befand sich in einer Gegend, die ihr gänzlich fremd war, und sie kannte niemanden, bei dem sie Nahrung bekommen oder Unterschlupf suchen konnte. Zumindest war Sommer, so dass sie nicht mit dem kalten Winter Neuenglands fertig werden musste. Wir beteten inbrünstig für sie.
    Unser einziger Trost nach diesem Schock war Tante Kath. Am Sonntag fuhren wir mit dem Zug von der Waterloostation bis nach Woking , um in ihrem wundervollen Haus in Hook Heath, das direkt neben dem New Zealand Golf Club lag, Mittag zu essen. Das Roastbeef, das uns ihre geliebte Köchin Mrs. Bostock lächelnd servierte, und Tante Kath , die gebieterisch und warmherzig am Ende der Tafel vorsaß, waren Balsam für unsere Wunden. Beim Nachtisch erzählten wir ihr von Perth und dass wir daran dachten, nach Hause zu fahren.
    »Das wäre albern«, sagte sie einfach. »Ich weiß, dass ihr euch elend fühlt, aber du musst deine Arbeit machen, Peter, und ihr beide habt euch sehr bemüht und eine Menge Geld dafür ausgegeben, hierher zu kommen. Der Schmerz wird mit der Zeit nachlassen, und ich hätte euch gerne den ganzen Sommer hier bei mir. Tante Edna kommt nächste Woche aus Uruguay und sie wäre todunglücklich, wenn sie dich verpassen würde. Ihr solltet nichts überstürzen. Denkt eine Woche darüber nach .«
    Wenn wir nicht in der liebenswürdigen Atmosphäre dieses Hauses mit seinen wunderschönen Gärten gewesen wären, hätten wir wahrscheinlich nicht auf Tante Kath gehört. Aber alles an diesem Ort hatte sich verschworen, uns davon zu überzeugen, dort zu bleiben — der Duft des Lavendels im Garten, die Sonne, die fröhlich auf den Büschen und Bäumen spielte, die exquisiten Mahlzeiten, das tröstliche Zusammensein mit der Lieblingsschwester meines Vaters und der gesunde Menschenverstand, mit dem sie uns überzeugte. Außerdem musste ich meine Arbeit zum Abschluss bringen. Wir beschlossen also zu bleiben, die Augen aber nach einem billigen Rückflug gegen Ende Juli offen zu halten.
    So vergingen die Tage und Wochen. Wir zogen aus der schmuddeligen Pension in eine hellere und sauberere Unterkunft in Bedford Park, westlich von London. Unter der Woche arbeiteten wir in London, gingen abends ins Theater oder ins Konzert und die Wochenenden verbrachten wir bei meiner Tante. Dann kam auch meine Tante Edna, und zum ersten Mal in meinem Leben kam ich in den Genuss, meine beiden geliebten Tanten gleichzeitig zu sehen. Cindy mochte beide sehr gerne. Sie waren ein Lichtblick in einer sonst so trostlosen und von Niedergeschlagenheit geprägten Abfolge von Tagen.
    Eines Sonntags unterbreitete Tante Kath uns ein Angebot. Sie hatte geplant, drei Wochen in Devon in einem kleinen Steincottage zu verbringen, das einer Freundin von ihr gehörte. Aber sie musste leider absagen und fragte nun uns, ob wir Lust hatten, dorthin zu fahren. Es sei traumhaft, betonte sie. Das Cottage lag neben der alten Gemeindekirche in Sidford , am Fluss Sid, acht Kilometer vom Meer entfernt, wo die rötlichen Klippen steil aus dem Meer aufsteigen. Es ist ein Paradies für Wanderer und Radfahrer. Ich hätte die Idee sofort verworfen, wenn ich nicht ein gutes Stück mit meiner Arbeit vorangekommen wäre und nur noch ein paar

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