Perth
Tage benötigte, um sie abzuschließen. Also nahmen wir das Angebot meiner Tante an. Nach unserer wochenlangen Verzweiflung würde es uns vielleicht ganz gut tun, ein paar Tage in einem Cottage in Devon am Meer auszuspannen. Überdies freuten wir uns sehr darauf, die sanfte Landschaft in Englands Südwesten zu erleben, die wir noch nicht kannten. Alles, was ich dort zu tun hatte, war, den Rasen zu mähen.
Ich hatte meinen Plan, früher nach Vermont zurückzukehren, um nach Perth zu suchen, allerdings noch nicht aufgegeben, und wie es das Schicksal so wollte, sah ich am nächsten Tag in London zufällig einen extrem günstigen Flug nach Boston, der in der zweiten Woche unseres Devon-Aufenthalts ging. Auf der Stelle entschloss ich mich, ihn zu buchen. Tante Kath war enttäuscht und konnte es nicht glauben, aber sagte dann, was sie so oft zu mir sagte: »Man kann nicht das Leben anderer Leute leben .« Zumindest eine Woche konnte ich in Devon verbringen. Ich musste einfach nach Perth suchen. Cindy würde die ganzen drei Wochen bleiben und dann Ende August mit unserem regulären Flug zurückkommen.
Ein paar Tage später fuhren wir mit dem Zug Richtung Südwesten. Am Nachmittag hatten wir uns in dem Cottage gegenüber der grauen Steinkirche in Sidbury eingerichtet. Der Ort sah aus wie ein Postkartenmotiv: klein, reetgedeckte Häuschen, schmuck und ruhig, umgeben von sanften Hügeln. Wir mieteten uns Fahrräder und begannen am nächsten Tag die Gegend zu erkunden. Jeden Tag schien die Sonne, und die ganze erste Woche taten wir nichts anderes als Rad zu fahren, unsere Runde durch die Läden des Ortes zu machen, mit den Inhabern zu plaudern und die beharrlichen Kirchenglocken läuten zu hören. Wenn das Leben noch schöner sein konnte, dann nur mit Perth.
Kapitel 8
D ie Sonne strahlte, als ich mich von dieser Sommeridylle losriss. Als ich Cindy einen Abschiedskuss gab, war ich versucht, meinen absurden Plan zu verwerfen. Wir hatten uns eine Telefonstrategie ausgedacht, die uns nichts kosten würde, uns aber erlaubte, täglich Kontakt zu haben. Jeden Abend würde ich ein R-Gespräch von einem öffentlichen Telefon in Vermont anmelden und nach Cindy fragen. Die Vermittlung würde antworten, dass Cindy nicht zu Hause sei. Wenn ich keine guten Nachrichten hatte, würde ich antworten: »Das macht nichts, es ist nicht so wichtig .« Cindy konnte das am anderen Ende der Leitung mithören. Sollte ich gute Neuigkeiten haben, würde ich stattdessen sagen: »Aber ich muss ihr eine gute Nachricht übermitteln. Könnten Sie bitte fragen, wann sie wieder zurück sein wird ?« In diesem Fall sollte Cindy das Gespräch beim nächsten Mal annehmen. Ein transatlantisches Telefonat kostete damals ein Vermögen. Wenn wir miteinander sprachen, musste es daher um gute Neuigkeiten gehen.
Widerwillig stieg ich in den Zug, blieb die Nacht in unserer kleinen Wohnung in London und flog dann am Morgen nach Boston. Cindys Eltern holten mich am Flughafen ab und brachten mich zu unserem Auto. Sie glaubten, ich hätte den Verstand verloren. Ich nahm mir kaum Zeit für sie, stieg ins Auto und fuhr aus der Stadt heraus in Richtung Vermont. Allein die Tatsache, dass ich wieder zurück war, machte mir Hoffnung. Irgendwo innerhalb eines Gebiets von dreihundert bis fünfhundert Kilometern lebte Perth noch. Dessen war ich mir sicher. Ich hatte vor zu zelten, da sich die nötige Ausrüstung noch im Auto befand. Meine erste Anlaufstelle war die besagte Farm. Wenn ich mit dem Jungen sprach, würde ich vielleicht einen Hinweis erhalten, in welche Richtung Perth gelaufen war. Es war eine ärmliche, heruntergekommene Farm, die sich am Fuße der Green Mountains befand. Jonas, der Junge, sah so schuldbewusst und verlegen aus, dass ich es nicht übers Herz brachte, ihn auszuschimpfen.
»Ihr Hund iss irgendwie böse«, begann er. »Ich wollt ihn nich anbinden, aber verdammt, er hat mich in den Arm gebissen. Mein Vater hat gesagt, ich soll den verdammten Köter loswerden, aber ich wollt sehn, ob er sich nach ‘n paar Tagen bessert. Er iss aber böse geblieben .«
»Wie ist er freigekommen ?« , fragte ich kühl.
»Also, das war ‘n bisschen unheimlich. Ich hab ihn richtig fest mit der Kette an ‘nen Pfosten gehängt. Aber er hat doch tatsächlich den Pfosten durchgekaut. Muss die Kette mitgeschleppt haben. Sie werden ihn jetzt nich mehr finden. Es iss über ‘n Monat her, dass es passiert iss. Er hat die längste Zeit gelebt. Tut mir Leid, aber es iss bestimmt
Weitere Kostenlose Bücher