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Perth

Perth

Titel: Perth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Martin
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Zelt, nicht mehr als eineinhalb Meter von meinem Kopf entfernt, ein ekliges Schmatzen, vermischt mit kratzenden und stöhnenden Geräuschen, hörte. Mein Herz blieb fast stehen. Ich lauschte ängstlich und achtete darauf, keinen Mucks von mir zu geben und mich keinen Millimeter zu bewegen. Niemand berührte das Zelt, aber die Geräusche wurden lauter. Ich rechnete damit, jeden Moment eine Stimme zu hören oder einen Schlag zu verspüren. Es dauerte zehn Minuten, bis ich all meinen Mut zusammennahm und die Taschenlampe ausmachte. Langsam legte ich meinen Kopf auf das Kissen. Gelähmt vor Angst lauschte und wartete ich. Die Geräusche waren, mit einigen Unterbrechungen, weiterhin zu hören. Zwei Stunden vergingen. Ich hatte nicht genug Mut, leise aus dem Zelt zu schlüpfen und wegzurennen. Ich schwitzte vor Angst. Ich kämpfte heftig gegen den Schlaf an, aber schließlich befreite er mich aus diesem Alptraum.
    Als mich die Morgendämmerung aufweckte, konnte ich kaum glauben, dass alles in Ordnung war. Das geöffnete Buch und die Taschenlampe lagen neben mir. Das gemütliche Zelt umgab mich noch immer, der Reißverschluss war zugezogen. Draußen war nichts mehr zu hören. Ich öffnete den Reißverschluss und streckte vorsichtig meinen Kopf aus dem Zelt hinaus. Ich sah nichts außer einigen entfernten Kühen. Es gab keine Anzeichen dafür, dass jemand in der Dunkelheit umhergeschlichen war. Ich ging um das Zelt herum. Dort, gut sichtbar, lag etwas auf dem Boden, was ich vorher völlig übersehen hatte: ein Salzleckstein. In meiner Eile hatte ich das Zelt in der Dunkelheit genau neben einem Salzleckstein aufgebaut! Was mich in der Nacht zu Tode erschreckt hatte, war weder eine Bande von blutrünstigen indischen Jongleuren noch ein gefährlicher Dieb oder Asozialer, der das Zelt mit einem Dolch aufschlitzen wollte, sondern es waren ein paar Kühe, die Salz leckten und mitten in der Nacht munter vor sich hinschmatzten.
    Es war lustig, aber auch lächerlich. War ich lächerlich?
    War dieses ganze teure Unterfangen, Perth zu finden, lächerlich? Vielleicht sollte ich aufgeben und in Boston bei Cindys Eltern darauf warten, dass sie zurückkam. Selbst wenn Perth noch lebte, war es, als suche man eine Nadel in einem gigantischen Vermont’schen Heuhaufen. Und vielleicht lebte sie ja auch nicht mehr und war bereits vor langer Zeit an einer einsamen Straße umgekommen. Vielleicht suchte ich Gespenster und jagte einem Phantom hinterher.
    Beim Frühstück sammelte ich mich wieder. Ich wusste, dass Perth lebte. Sie musste leben. Ich würde noch eine Woche weitermachen. Jetzt suchte ich ein Gebiet ab, das weiter von der Farm entfernt war. Ich arbeitete wieder mit einer Karte, um den Irrsinn wenigstens systematisch voranzutreiben. Ich fuhr sogar einige Male hoch in die Berge hinauf und rief Perths Namen endlos in die Wildnis hinaus. Doch nie bekam ich eine Antwort. Ich hatte keine Ahnung, weshalb sie dort oben sein sollte, aber das war mir egal. Einmal war ich auf der Spitze des Bloodroot Mountain auf einer Höhe von tausend Metern, ein anderes Mal an den Ufern des großartigen Chittenden Reservoirs, etwa fünfzehn Kilometer von der Farm entfernt, nur von Wind und Wildnis umgeben. Ich hoffte immer noch auf ein Wunder, dass sie schwanzwedelnd und bellend aus dem Nichts auftauchen und ungerührt ins Auto springen würde, als ob nichts geschehen wäre.
    Eine weitere Woche verging, und immer noch gab es keine Spur von ihr. Ich deckte ein großes Gebiet ab. Sie konnte sich unmöglich in Luft aufgelöst haben. Ich war sicher, dass sie mich hätte finden müssen, da ich überall unterwegs war und meinen Geruch hinterließ. Es sah ihr unähnlich. Niemand rief beim Tierschutzverein an, obwohl ich Hunderten von Menschen die Telefonnummer und Informationen über Perth hinterlassen hatte.
    Äußerst geknickt fuhr ich nach Boston, um Cindy abzuholen. Sie war ebenso niedergeschlagen wie ich. Aber wir entschlossen uns, noch eine Woche gemeinsam weiterzusuchen, und wurden dabei von unseren Freunden, den Lammes aus Cazenovia und ihrem Beagle, unterstützt. Sie opferten eine Woche ihres Lebens, um uns zu helfen. Sie schlugen ihr Zelt neben unserem auf. Sie ermutigten uns und versuchten uns aufzuheitern, aber in ihren Augen konnte ich sehen, dass sie annahmen, dass Perth irgendwo umgekommen war. Nach einer weiteren Woche vergeblichen Suchens gestanden wir uns unsere Niederlage ein. Wir mussten zurück nach Florida fahren, um das neue Semester an der

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