Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
nicht gestorben, weil sie ihn nicht ausgetrunken hatte. Aber er war auch kein Vampir geworden, wie man es immer wieder hört. Er war ein Mensch, doch Lady de Ville hatte ihm versprochen, dass er zum Vampir werden würde, wenn sie den Prozess abgeschlossen hätte. Sie verriet aber nicht, wann das sein würde oder wie sich dieser Prozess gestalten würde, so sehr er auch um Aufklärung bat.
Er blinzelte in die niedersinkenden Flocken. Schon seltsam , dachte er, Schnee ist auch nur Wasser irgendwie und doch macht er nicht halb so nass wie Regentropfen . Ihm war kalt und er beeilte sich, Lady de Villes Auftrag auszuführen. Die Kiste sollte endlich zu ihr gebracht werden!
In der letzten Nacht war es der Vampirin wohl allem Anschein nach gelungen, Hubert Ninefingers die Kiste abzunehmen. Er hatte nicht alles verstanden, was Melissa de Ville ihm erzählt hatte, aber sie hatte die Kiste wohl auf einem Dach in der Nähe zurücklassen müssen, weil irgendwo ein Haus in Brand geraten war und auf der Straße eine Menge Leute herumliefen. So konnte sie unmöglich von einem Dach auf der einen Straßenseite auf ein Dach auf der anderen Seite springen und dann noch mit einer nicht eben kleinen Kiste auf der Schulter. Das Risiko wollte sie nicht eingehen, stellte die Kiste an die Schräge eines Schornsteinschlotes und sprang im Schutz der Dunkelheit in eine Gasse hinunter.
Ulysses hatte die Adresse erreicht, die Lady de Ville ihm genannt hatte. Die Eingangstür war nur angelehnt, führte in einen Treppenschacht, von dem Lagerräume zu erreichen waren. Er kam ohne Schwierigkeiten aufs Dach, fand die Kiste dort, wo Lady de Ville sie hinterlassen hatte, und wuchtete sie bis vor die Tür.
Er lud sich die Holzkiste auf den Rücken und fluchte nicht schlecht, denn einen Helfer mitzunehmen hatte seine Herrin ausdrücklich untersagt. Schließlich erreichte er das Palais, und die Kiste gelangte nach einer Irrfahrt um die halbe Welt endlich an ihren Adressaten.
Sofort ließ sie Ulysses den Deckel aufbrechen. In der Kiste befanden sich getrocknete Pflanzen, stellte Ulysses fest. Lange, gebogene Stücke von zwei Fuß, braun und schrumpelig. Deshalb der ganze Ärger? Er hatte bei der Besorgung von Lady de Villes Bestellungen, die er am Morgen hatte erledigen müssen, mit angehört, wie eine dicke Matrone der Ladenbesitzerin erzählte, wie man am Morgen Hubert Ninefingers gefunden hatte. Er hatte nur noch sein halbes Gesicht gehabt, sagte die Frau und lachte schallend, sein Bein habe ihm in der Nase gesteckt und der Eselspfahl vom St.-Georg-Brunnen habe zwei Fuß tief in seinem Arsch gesteckt.
„Da muss einer richtig sauer gewesen sein!“, hatte die Ladenbesitzerin erwidert und dann hatten beide Frauen gelacht, dass ihnen die Tränen gekommen waren. Ulysses hatte noch kurz mit einer jungen Frau mit wundervollem Haar geredet, die das Verhalten der Damen auch etwas befremdlich fand, was man auf Ulysses Gesicht hatte ablesen können. Sie hatten noch kurz über dies und das gesprochen, dann hatte er sich verabschiedet, denn Lady de Ville war nicht die Geduldigste. Aber er wollte ein Auge auf die Gegend haben, ob ihm dieses ausnehmend hübsche Geschöpf nicht noch einmal unter käme. Sie wäre es wert, einen Annäherungsversuch zu wagen.
Melissa de Ville war endlich einmal zufrieden. Endlich hatte sie die benötigten Zutaten zusammen! Fünf Bündel waren in der Kiste gewesen, jedes gut drei Pfund schwer. Genug, um die nötige Menge ihres Mittels herzustellen.
„Pack dir die Pflanzen und komm mit!“, befahl sie dem noch immer heftig atmenden Ulysses. „Es ist an der Zeit, einen kleinen Krafttrunk zu brauen!“
Rebekka hatte sich diesmal mit Freude verkleidet. In London kannte sie außer Drake und von Steinborn kein Mensch, weshalb also als grimmiger Ledermann durch die größte Stadt der Insel laufen? Zu ihrer Freude hatte George ihr einen ganzen Schrank voller Kleider offeriert, nicht die allerneueste Mode, aber ein Traum für eine junge Frau aus den mittleren Ständen. Eine moderne, auffällige Erscheinung wäre ohnehin nicht in Frage gekommen, denn sie konnte Aufmerksamkeit zur Zeit wahrlich nicht gebrauchen. Trotzdem fühlte sich Rebekka in den hübschen Kleidern so wohl, wie seit Wochen nicht mehr. In warme Felle gehüllt und mit Seehundfellstiefeln an den Füßen war sie ins Schneetreiben hinausgegangen, um ihre Wache vor dem Haus von Lady de Ville anzutreten.
Sie hatte auch nicht lange warten müssen, und der junge Kerl, der Lady
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