Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
de Ville als persönlicher Sekretär und Laufbursche diente, kam aus dem Haus, eine Liste in der Hand, die er mit gerunzelter Stirn studierte, derweil er in Richtung Geschäftsstraße ging. Rebekka schlang den Fellumhang enger um ihre Schultern und folgte ihm unauffällig.
Nacheinander klapperte der junge Mann die Posten auf seiner Liste ab und der dritte Posten war der Kolonialwarenladen, von dem George Drake angenommen hatte, dass Lady de Ville dort ihre Bestellung aufgeben würde. Er hatte richtig gelegen mit seiner Vermutung.
Außer dem Sekretär befanden sich noch die Inhaberin und eine dickliche Dame im Laden, ansonsten war das Geschäft menschenleer, und so folgte Rebekka dem Mann ins Innere.
Die Frauen schwatzten über einen grausamen Mordfall in der Nachbarschaft. Offenbar hatte man einen Mann total verstümmelt aufgefunden. Es schien aber auch, als weine dem Toten niemand auch nur eine Träne nach, im Gegenteil, die Leute waren erleichtert, den Plagegeist los zu sein! Die Anwesenheit von zwei weiteren Personen störte die beiden Frauen nicht bei ihrem kleinen Tratsch und sie tauschten genüsslich Details der Untat aus, die ihnen zugetragen worden waren.
Rebekka konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Zwar war ihr Englisch nicht so gut, dass sie der im Straßenjargon geführten Unterhaltung in allen Details folgen konnte, aber zum einen waren die Fetzen, die sie auffing, Information genug und zum anderen hatten die beiden Frauen ein ansteckendes Lachen.
Der Sekretär von Lady de Ville hatte das wohl bemerkt und grinste sie schüchtern an. Mit einem Seitenblick auf die tratschenden Frauen flüsterte er in Rebekkas Richtung, grade so laut, dass sie es verstehen konnte, die Frauen aber nicht.
„Furchtbar, findet Ihr nicht auch? Dieses Getratsche ist ja schier zum Wahnsinnigwerden! Ich bin sicher, das könnten die zwei durchhalten, bis die Sonne untergeht, wenn’s drauf ankäme! Ich bin sicher, Ihr seid da von ganz anderem Schlag, das erkenne ich sofort! Ihr seid nicht aus London, habe ich Recht? Nun, dann müsst Ihr Euch wohl daran gewöhnen, nicht eben zuvorkommend bedient zu werden, wenn ihr nicht über ein gewisses Vermögen verfügt, was nun zum Glück …“
„Hallo, Mister Miller, lang nicht gesehen, Sir!“, dröhnte die Stimme der Ladenbesitzerin, derweilen die Ladenglocke verkündete, dass ihre Gesprächspartnerin das Geschäft verlassen hatte.
Der Sekretär war an der Reihe bedient zu werden. Er gab eine umfangreiche Bestellung für Lady de Ville auf, von geräuchertem Lachs bis hin zu französischem Schaumwein. Das Lächeln der Frau hinter der Theke wurde immer breiter, je länger die Liste wurde. Lady de Ville gehörte immerhin zu den Kunden, die ihre Rechnungen immer pünktlich bezahlten, und das war heutzutage schon eine Seltenheit!
„Das Meiste habe ich im Laden vorrätig, Mister Miller“, sagte die Frau, als der Sekretär mit der Liste durch war. „Und wegen der anderen Sachen schicke ich gleich Joseph los, sie zu besorgen. Wird dann noch heute vor dem Dunkelwerden geliefert, Sir, Mister Miller, wenn’s Recht ist.“
Der Sekretär nickte.
„Zwischen siebzehn und achtzehn Uhr also, Mistress Johnson, ich verlasse mich auf Euch!“
Ulysses Miller drehte sich wieder zu Rebekka um und lüftete mit einer Geste, die galant aussehen sollte, aber linkisch wirkte, den Hut.
„Verzeiht, die Geschäfte rufen, ich fürchte, ich muss mich empfehlen!“
Rebekka lächelte freundlich und wendete sich der Frau hinter der Theke zu. Ulysses Miller zupfte seine Kleidung zurecht, rief ein von niemandem beachtetes „ Good bye!“ in den Raum und verließ den Laden.
Rebekka hatte alles gehört, was sie wissen wollte. Sie kaufte eine Tüte Lakritzbonbons und Veilchenpastillen bei der freundlichen Besitzerin und dann schlenderte sie geruhsam zurück zu George Drakes Wohnung. Die Veilchenpastillen waren erfrischend für den Hals, aber die Lakritze war eine Offenbarung! Rebekka beschloss, immer, wenn sie in London war, eine Tüte dieser Köstlichkeit bei der Frau in genau diesem Laden zu kaufen. Es waren mit Anstand die besten Lakritzbonbons, die sie jemals geschmeckt hatte.
Obwohl ein trübes Licht herrschte, war die Stadt unter dem frisch fallenden Schnee heute von einer seltenen Ruhe und Stille erfüllt, als hielte sie den Atem an, bevor ein Sturm losbrach.
Die Schneeflocken sanken herab, leise, unhörbar, Hunderte, Tausende auf jeden Quadratzoll Bodens und löschten langsam die feuchten
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