Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
laufen!
Melissa öffnete die letzte Flasche mit fliegenden Fingern. Sie drehte sich auf den Rücken, atmete tief ein und dann setzte sie die Flasche an, bevor der Drache es verhindern konnte. Gierig schluckte sie, bis der Inhalt der Flasche zur Gänze getrunken war.
Aber dann wurde der Schmerz zu einer glühenden Wand aus flüssigem Hass, zu einem Wall aus Flammen der Wut und der Rachsucht des Drachen.
Melissa riss ihre Augen und ihren Mund auf, krümmte sich zusammen, dass ihr Körper vom Boden hochschnellte und dann quälte sich ein Schrei von solch abgrundtiefer Ohmacht aus ihrer Kehle, dass die Türen ihres Gewölbes erzitterten! Durch Steinwände und Eichenbohlen drang der Schrei, markerschütternd und von einer solchen Tiefe, dass er sogar auf der Straße in dem dichten Schneetreiben und Sturmgeheul zu hören war, als verende ein gewaltiges Tier in seinem Käfig.
Dann brach Melissa de Ville zusammen und sackte bewusstlos zu Boden.
Mit verkrümmten Gliedern lag sie auf dem Steinboden inmitten rauchender Säurelachen. Ihre Haut zog sich zusammen, riss auf und an allen möglichen Stellen ihres Körpers brachen Dornen und Stacheln hervor. Ob sie nun bei Bewusstsein war oder nicht, der Drache kam!
Doch was für eine Art Drache würde das sein? Welche Wirkung hatte das Gebräu auf den Drachen?
Es würde nicht der Drache aus den alten Zeiten sein, der da hervorbrach, aber niemand hätte sagen können, wie der Drache der neuen Zeit aussehen würde.
„Verdammt, was war denn das?“
Rebekka zog das Fell, unter dem sie lagen, enger an sich heran. George fuhr hoch und griff nach seinen Sachen. Der Schrei war nicht menschlicher Natur gewesen! Das war Melissa! Was zur Hölle hatte sie getan?
„Der Drache!“, sagte er und zog Rebekka hoch. „ Sie hat den Drachen gerufen … ich verstehe nur nicht, weshalb ich sein Kommen nicht gespürt habe! Das hätte ich bemerken müssen!“
Rebekka schlüpfte in ihre Kleidung und sah ihn erschrocken und verliebt zugleich an.
„Habe … habe ich dich abgelenkt?“
George lachte und hauchte ihr einen Kuss auf den Mund.
„Das hättest du nicht verhindern können!“, sagte er beruhigend. „Drachen haben eine Verbindung zueinander, die nicht gelöst werden kann. Ich hätte das Kommen des Drachen fühlen müssen, egal wo ich nun auch immer gewesen wäre. Nein, da ist etwas anderes …“
Er prüfte den Sitz seiner Waffen und griff nach Rebekkas Hand.
„Was auch immer geschehen mag, eins musst du wissen, Liebste. Nie habe ich jemanden so geliebt wie dich! Das werde ich immer tun, was auch geschieht!“
Er drückte sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Lippen. Rebekka seufzte selig. Es war ein so gutes Gefühl, wie sie noch nie eines gehabt hatte.
„Ich liebe dich ebenso, Georgios Santos.“
George trat in den Flur und versuchte die Gegenwart Melissa de Villes zu erfühlen, aber da war nichts. Er konnte sie nicht ausfindig machen, als sei sie an einem weit entfernten Ort. Wie konnte das sein? Es waren vielleicht zwei Stunden vergangen, seit sie ihn getötet hatte, höchstens drei!
Die Räume, in die sie kamen, waren menschenleer. Kein Diener, keine Lady de Ville, niemand war da. Das ganze Haus schien, abgesehen von George und Rebekka, völlig verlassen zu sein.
Sie suchten die Etage darüber ab, das Erdgeschoss und dann die Räume in den oberen Stockwerken, aber bis auf zwei männliche Leichen war das Haus leer. Die beiden lagen in einem Raum mit einem riesigen Bett nebeneinander, tot, ausgesaugt von Melissa de Ville. Vorher schien sie ihren Spaß mit den Toten gehabt zu haben.
Aber von ihr, Melissa, war keine Spur zu finden. George wußte sich keinen Reim darauf zu machen. Die einzige Möglichkeit, die George sah, wie sie so abrupt hatte verschwinden können, war, dass sie tot war. Dann würde er sie auch nicht mehr spüren können.
War die Kapsel aufgegangen? Das Drachenherz steckte in ihrem Bauch und George glaubte nicht, dass sie es wusste. Er hatte es ihr bei seiner Attacke unterhalb der Rippen in den Bauch gerammt, aber keine Gelegenheit gefunden, es zu öffnen. Wenn das Röhrchen offen war, dann mochte Melissa de Ville tot sein. Getötet von seinem Herzen.
Aber das war nur eine Vermutung.
George blieb unvermittelt stehen. Was war das für ein Geräusch? Ein ganz leises Brummen, von unten, tief unter ihren Füßen schien es zu kommen. Dann fühlte er es deutlicher. Kein Geräusch war es, was er da wahrnahm. Es war ein Beben, ein Zittern des Gebäudes.
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