Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Er packte Rebekkas Hand und zog sie zum Ausgang.
„Wir sollten schnell hier raus“, sagte er im Laufen. „Da geschieht etwas, etwas Gewaltiges! Ich spüre, wie ein Beben durch das ganze Gebäude geht! Komm!“
Rebekka folgte dem Vampir, der sich um einiges schneller bewegte, als sie, so schnell sie konnte.
„Ein Beben, hier in London?“
George trat gegen die versperrte Tür, und die massive Eiche barst, als sei die Tür aus Pappe. Er schob Rebekka ins Freie. Draußen orgelte der Wind heftiger denn je in dieser Nacht. Schnee trübte die Sicht und türmte sich in hohen Wehen hinter Bäumen und Büschen. London war hinter einem weißen, rasenden Vorhang verborgen.
Der Vampir stieg über die Trümmer der Tür. Er hatte seinen Mantel nicht zugeknöpft und der Wind trieb sofort den Schnee in seine Kleider. Er drehte sich gegen den Wind und schloss die Knebel des weiten Kleidungsstückes. Rebekka drückte sich eng an ihn.
„Und nun?“, fragte sie, den Kopf an seiner Schulter. „Was werden wir nun unternehmen?“
„Das Beste wäre wohl, wenn wir“, hob George an zu antworten, aber ein gewaltiges Bersten schnitt ihm das Wort ab. Rebekka lief sofort vom Haus weg und George packte sie, riss sie hoch in seine Arme und trug sie vor sich her. Schneller als ein Hirsch auf der Flucht sprang der Vampir mit ihr über die Straße und schützte sie dabei mit seinem Körper.
Trümmer flogen um sie herum, Steine, Balken, ganze Türen mit Rahmen und Säulen flogen in alle Richtungen auseinander in den Schnee hinaus, zertrümmerten die Fassaden der gegenüberliegenden Häuser. Glassplitter und Keramik, Fliesen und Kacheln schossen dazwischen durch die Luft. Ein dreieckiges Stück traf George in die Schulter und blieb dort stecken.
Als der Regen aus Trümmerteilen nachließ, erhob sich der Vampir, der sich schützend über Rebekka gebeugt hatte.
„Du … bist verletzt!“
George nickte.
„Wenn du so lieb wärst, ihn herauszuziehen? Es heilt schnell! Wirklich nicht weiter schlimm!“ Er lächelte ihr zu und kniff dabei ein Auge zu. „Ich bin ein Vampir!“
Rebekka fasste die lange Scherbe und zog sie aus dem Rücken ihres Geliebten. Daran würde sie sich gewöhnen müssen. Für ein Wesen, das unsterblich war, stellte ein Scherben im Rücken wohl wirklich nur einen Nadelstich dar.
Gegenüber war für einen Moment eine trügerische Ruhe eingetreten. Dann begann es zu rumoren, erst leise, dann immer deutlicher und lauter. Auf der Straße waren durch den Lärm des zerberstenden Hauses schon eine ganze Menge Einwohner zusammengelaufen. Manche vermuteten, das Haus sei unter der Last des Schnees zusammengebrochen, andere meinten, da sei ein Experiment der Hexenlady schiefgegangen. Die Letzteren könnten richtig liegen. George hätte die Menschen gern außer Gefahr gebracht, aber würde man ihm glauben, wenn er sie warnen würde?
Dann wurden alle Überlegungen unterbrochen, alle Gedanken ad absurdum geführt, denn das, was sich da im dicht fallenden Schnee abzeichnete, war nicht möglich.
Aus den Staubwolken und Trümmern schälte sich eine grauenerregende Gestalt und bewegte sich auf die Menschenmasse zu, die vor dem Gebäude auf der Straße stand. Die Schreie der Bestie ließen auch den Tapfersten zu einem ängstlichen Mäuschen schrumpfen.
George glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können, und Rebekka klammerte sich entsetzt an ihn. Ein Wesen, irgendwo zwischen Mensch und Drache, geifernd und mit rot glühenden Augen, raste auf die Menschen herab und zerfetzte alle, die in seiner Reichweite waren.
Das Monster hatte den Kopf von Melissa de Ville, ihre Brüste und Beine, ihr langes Haar wehte hinter ihr her, und schien aus festem Feuer zu bestehen. Ihre Züge waren verzerrt, aber es war Melissa de Ville, oder besser, das, was aus ihr geworden war. Der Rest des Körpers war der des Drachen. Seine Flügel, wie die der Fledermäuse mit Rippen aus Knochen, löchrige Haut, die sich dazwischen spannte, wuchsen aus Melissas Rücken, der von Stacheln und Dornen übersäht war. Seine Vorderbeine oder Arme wuchsen aus ihren Schultern, bewehrt mit langen, schimmernden Krallen und sein Schwanz peitschte am Ende ihres Rückens. An seinem Ende waren lange Dorne, die wie Speere die Leute durchbohrten.
Das Schrecklichste war, dass die Grenzen sich verschoben. In einem fort veränderte sich der Körper in der Oberfläche, wechselte die Farbe, warf sich auf und zog sich zusammen.
Dann hielt das Wesen inne, witterte, hob den Kopf
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