Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
königlichen Hoflieferanten und dann in großen Mengen. Wir müssen eigentlich nichts anderes tun, als eine solche Sendung abzufangen und selbst die Stelle des Lieferanten einzunehmen.“
Rebekka schwieg. Das klang allerdings nach einem brauchbaren Plan.
Von Steinborn hatte mittlerweile auch Rebekkas Schweigsamkeit bemerkt, dies aber nicht zur Sprache gebracht. Als die junge Frau den Raum einmal kurz verließ, beugte er sich zu dem Vampir hinüber und fragte mit leiser Stimme:
„Seid Ihr sicher, dass Ihr Euch in Ihre Hände geben wollt? Es mag ein Risiko beinhalten …“
„Das ist mir bewusst, lieber Freiherr, aber ich vertraue dieser Frau. Sie hat jeden Grund, mich zu hassen, und will doch helfen. Ich will, nein, ich muss ihr Vertrauen entgegenbringen, das hat sie verdient, und ich hoffe und bete, dass sie die ihr gestellte Aufgabe erfüllen wird. Davon einmal abgesehen fühle ich, dass da etwas Besonderes ist mit diesem Weibe. Ich kann’s nicht beschreiben, es ist nur ein helles Gefühl, wie die Sonne nach einer kalten Nacht, wenn ich sie ansehe …“
Der Vampir hatte seine Stimme nicht gesenkt, als er sprach, wie der Freiherr es getan hatte, und so konnte Rebekka jedes Wort hören, als sie den Flur überquerte auf dem Rückweg in das Kaminzimmer, obwohl nicht überlaut gesprochen wurde. Ihr wurde heiß, als sie die Worte vernahm. Ein helles Gefühl, wenn er sie ansah? Was bedeutete das? Eine Hoffnung keimte in ihr, eine schlimme Hoffnung! Das durfte sie Elisabeth nicht antun …
Den Rest des Abends saß sie schweigsam da, mit zusammengekniffenen Lippen und gerunzelter Stirn, bis es an der Zeit war, sich zurückzuziehen. Sie hatte einen Raum für sich, während die Männer sich den anderen teilen mussten. Lange lag sie noch wach und grübelte im Wechsel mit Selbstvorwürfen über ihre Gefühle. Als sie dann letztlich doch noch einschlief, drehten sich ihre Träume nur um den Vampir und sie erwachte am Morgen unausgeruht und müde.
Es war eine mühsame Plackerei für die Männer gewesen, den Golem, verpackt in Planen und mit Seilen verschnürt, mit dem Fuhrwerk auf das zwar recht große, aber für solchen Einsatz nicht vorgesehene Fischerboot zu verfrachten. Sie hatten die Last und den Wagen getrennt verladen müssen, denn es mussten noch die Ochsen, Pferde und Menschen mit an Bord und alles musste gleichmäßig auf Deck verteilt werden.
Es war das größte Boot im Hafen des kleinen Dorfes und doch war es eng geworden. Fast hätte Courtyard ein zweites Boot angeheuert, doch dann hatte einer der Männer den Einfall, die Räder vom Fuhrwerk abzumontieren und diese außen an die Bordwand zu hängen.
So ruderten die Männer ein seltsam aussehendes Gefährt auf die See hinaus, das mehr einer verbogenen Kutsche glich als einem Schiff. Ein leichter Wind war aufgekommen und drückte das Boot schnell auf das offene Meer, wo der Fischer Segel setzte und die Männer die Riemen einziehen konnten.
Courtyard stand am Bug, eine Faust um ein Seil geschlossen, die Knöchel weiß, so stark drückte er zu. Die Schmerzen nahmen weiter zu. Seltsamerweise fühlte sich der Brite trotz der wütenden Glut in seinem Leib kräftiger als seit Monaten. Mochte sein Körper schwach werden, sein Geist war unnachgiebig wie eh und je. Wimmer trat neben den Engländer und reichte ihm eine angebrochene Rumflasche.
„Die Männer hatten genug und ich kann den Korken nicht finden …“, sagte er leichthin und genehmigte sich selbst auch einen kleinen Schluck.
Der Brite musterte den Deutschen mit nachdenklichem Blick. Er nahm die ihm gereichte Flasche und ließ einen guten Schluck durch seine Kehle rinnen.
„Unser Fährmann schätzt, dass wir England gegen Morgengrauen sichten werden, kurz nach Sonnenaufgang. Wenn wir uns beeilen, können wir wieder auf der Straße sein, bevor es Mittag ist. Mit dem Fuhrwerk werden wir die Themse entlang einen weiteren halben Tag benötigen, denke ich.“ Courtyard setzte die Flasche erneut an und trank den Rest in einem Zug.
„In Gravesend gehen wir von Bord“, fuhr er dann fort. „Es geht von dort zwar ein regelmäßiger Schiffsverkehr bis nach London, doch ich halte es für sicherer, den Landweg zu benutzen. Es werden etwa zwölf Meilen sein, schätze ich, bis zu einem Haus, das meiner Familie gehört und uns Unterschlupf bieten wird.“
Der Engländer hielt einen Moment inne und betrachtete die leere Flasche in seiner Hand. Ein Zeichen der Vergänglichkeit. Memento mori , dachte Courtyard.
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