Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
und kalten Braten gegessen hatten, und betonte dabei den englischen Namen, den der Vampir benutzte, besonders deutlich.
„Es dürfte nicht allzu schwierig werden, die betreffende Dame zu finden. Sie ist eine recht auffällige Erscheinung, und Diskretion nicht eine ihrer Tugenden. Wenn ich es recht bedenke, hat sie überhaupt keine Tugenden. Nun, Lady Melissa de Ville liebt es, im Blick der Masse zu stehen, fast noch mehr, als im Bett des Kronprinzen zu liegen. Habt Iihr die kleine Wortspielerei bemerkt? Sie liebt so etwas. Ihr Name … de Ville … sollte mit einem schottischen Akzent ausgesprochen werden, dann klingt er authentischer: Devil. Und das ist diese Dame, das und nicht anderes. Ein Teufel in einem aufreizenden Körper.“
Der Vampir drehte sein Weinglas zwischen den Fingern und betrachtete den Farbwechsel des Kerzenlichts in der rubinroten Flüssigkeit und Rebekkas Gesicht dahinter.
„Melissa de Ville!“, sagte von Steinborn gedehnt, während er sich eine weitere Scheibe des vorzüglichen Bratens abschnitt. „Sie also …“
„Ihr kennt Lady de Ville?“ Georgios, der sich nun George Drake nannte, zog erstaunt die Brauen hoch.
„Mitnichten!“, antwortete der Freiherr. „Es ist lediglich der schlechte Ruf der Dame, der mir schon zu Ohren kam. Sie ist eine Courtisane, oder irre ich mich?“
„Das ist eine ihrer Qualitäten. Doch vor allem anderen ist sie selbstsüchtig, arrogant, intrigant und hinterhältig. Ganz davon abgesehen, dass sie das Morden genießt. Sie ist wohl mit Abstand die liederlichste Person, mit der ich je zusammentraf, und ich versichere Euch, dass es da einige sehr ausgefallene Bekanntschaften gab.“
„Das glaube ich Euch aufs Wort!“, lachte von Steinborn und schenkte Wein in die geleerten Gläser nach. „Da wird sich in tausend Jahren wohl das eine oder andere ergeben haben, nehme ich an.“
Georgios lächelte schmal.
„Es hat sich nicht vermeiden lassen …“
Dann wurde seine Miene ernst und er beugte sich vor, stützte die Hände auf den flachen Tisch und sah erst von Steinborn und dann Rebekka in die Augen.
„Meine Freunde, machen Sie nicht den Fehler, die Dame zu unterschätzen! Sie ist Drache! Sie ist wohl das gefährlichste Geschöpf auf dieser Welt, mich ausgenommen!“
Rebekka zuckte unmerklich zusammen, als der Vampir sie einen Freund nannte. Sofort schlug ihr Herz wieder schneller und sie hatte Mühe, ihrer Gefühle Herr zu werden. Was war es nur, das sie so sehr zu diesem Wesen hinzog?
„Sie sieht aus wie ein junges Mädchen, frisch und unverdorben, doch ist sie das genaue Gegenteil! Nicht groß von der Körperhöhe, kaum fünf Fuß, zierlich und zerbrechlich wirkt sie und so, als wäre sie die reine Unschuld mit ihrem blonden Haar und den großen, blauen Augen. Alles nur Schein, denn hinter der süßen Fassade steckt ein fauliger, verdorbener Kern, der heimtückischer ist als alles, was Euch bislang untergekommen sein mag. Diese Frau ist das reine Gift!“
Der Vampir ließ sich in die Kissen zurückfallen.
„Immerhin haben wir den Vorteil der Überraschung, denke ich“, warf von Steinborn ein. Der Vampir schüttelte den Kopf.
„Sie weiß, dass ich in London bin, so wie auch ich ihre Präsenz fühlen kann. Der Drache erkennt den Drachen. Was sie nicht wissen kann, ist der Grund meiner Anwesenheit. Das könnte ein Vorteil sein. Und es gibt etwas, das so noch nie vorgekommen ist …“
Georgios legte eine Kunstpause ein und musterte erneut seine Mitstreiter.
„Noch nie zuvor hatte einer von uns zwei Verbündete. Es kam schon einmal vor, dass ein Mensch an meiner Seite gekämpft hat, und auch sie hatte schon einen Verbündeten, doch normalerweise halten wir unser kleines Geheimnis verborgen vor unseren Mitmenschen. Und durch eine glückliche Fügung sind es nun zwei Kämpfer, die auf der Seite des Drachentöters stehen!“
Georgios Gesicht bekam finstere Züge, als er nun weitersprach.
„Lady de Ville weilt im Moment nicht in ihrem Palais. Vom Gefühl her würde ich ihren Aufenthalt im Buckingham House vermuten, doch spielt das auch keine Rolle. Ich werde es spüren, wenn sie in ihr Domizil zurückkehrt. Ich hingegen werde mich von London entfernen, das wird Melissa wenigstens annehmen, denn ich kann mich für sie unsichtbar machen …“
Der Vampir griff in die Tasche seines Rocks und zog das Drachenherz heraus, das von Steinborn aus den Resten der Falle geborgen hatte. Das Röhrchen schimmerte matt im flackernden Licht des
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