Pestmond (German Edition)
spätestens in diesem Moment dahin. Es war der Blick eines Mörders, eines Mörders, der sich hinter der Maske eines komischen alten Mannes verbarg und sich alle Mühe gab, zum Zerrbild seiner selbst zu werden – und das so perfekt, dass die meisten darauf hereingefallen wären. Aber Andrej hatte Augen wie diese schon zu oft gesehen, um nicht zu wissen, mit wem er es wirklich zu tun hatte. Dieser Mann war gefährlich. Auf seine Art genauso gefährlich wie Hasan.
Andrej fragte sich, warum er sich nicht einfach zurücklehnte und zusah, wie das Duell dieser beiden nur scheinbar ungleichen Männer ausging. Erst dann wurde ihm die Ironie dieses Gedankens bewusst. Denn wer immer dieser Don Corleanis auch war und was er auch getan hatte, gegen Hasan as Sabah nahm er sich geradezu wie ein Heiliger aus.
»Dann sagt uns, was wir tun sollen. Abu Dun und ich verstehen vielleicht nicht allzu viel von Schiffen …« – er schoss einen leicht amüsierten Blick in Hasans Richtung ab –, »… aber wir sind gelehrig und tun, was man uns sagt. Ihr könnt zwei zusätzliche Paar Hände brauchen, um die Arbeiten an der Pestmond zu vollenden.«
»Es geht nicht so sehr um Reparaturen«, wehrte Corleanis ab. »Meine Männer verstehen ihr Handwerk, und uns bleibt Zeit genug bis morgen. Es ist dein großer Freund, der mir Kopfzerbrechen bereitet.«
»Abu Dun?«
»Wenn das sein Name ist.«
»Schon seit ziemlich langer Zeit«, antwortete Andrej, nun schon mehr als nur eine Spur schärfer. »Und wenn es darum geht, dass er schwarz ist, dann solltest du das besser nicht in seiner Gegenwart sagen. Er reagiert manchmal etwas unleidlich auf so etwas.«
»Es geht nicht darum, welche Farbe seine Haut hat«, erwiderte der Don ungerührt. »Er fällt auf, das ist das Problem. Wenn wir unauffällig nach Rom gelangen und es auch bleiben wollen, dann sollten wir ihn hierlassen.«
»Das ist vielleicht nicht einmal die schlechteste Idee«, sagte Andrej. »Warum gehst du nicht zu ihm und unterbreitest ihm diesen Vorschlag?«
»Andrej, bitte.« Hasan hob besänftigend die Hand. »Don Corleanis meint es nur gut. Selbstverständlich wird Abu Dun uns begleiten, genau wie du. Ich brauche euch. Ich dachte, ich hätte das deutlich genug zum Ausdruck gebracht.«
Hasan hatte eine Menge zum Ausdruck gebracht, seit sie sich kennengelernt hatten, dachte Andrej missmutig, und oft genug das Gegenteil dessen, was er noch kurz zuvor behauptet hatte.
»Du traust diesem Burschen?«, fragte er in demselben arabischen Dialekt, den Hasan auch gesprochen hatte, als sie sich kennengelernt hatten. Er sah Hasan an, behielt Corleanis aber aus den Augenwinkeln aufmerksam im Blick. Der Fettwanst kaute ungerührt weiter auf seinen Datteln herum, die für jedermann in diesen Breiten wohl eine seltene Köstlichkeit darstellten, sofern er sie überhaupt kannte. Andrej sah ihm an, dass er die Worte nicht verstand, ganz gleich, wie gut er sich auch in der Gewalt haben mochte.
»Warum sollte ich nicht?«, entgegnete Hasan in derselben Sprache. »Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich seiner Dienste versichere, auch wenn es das erste Mal ist, dass ich ihm persönlich begegne. Aber er genießt einen ausgezeichneten Ruf … auf seine Art.«
Wenn er erwartete, dass Andrej das irgendwie amüsant fand, dann irrte er sich. Gerade er sollte doch wissen, dass es so etwas wie Ganovenehre nicht gab. Andrej traute diesem Don nicht über den Weg, und Hasan sollte es auch nicht tun.
»Weil er ein Schmuggler ist und wahrscheinlich ein Pirat und noch Schlimmeres«, antwortete er mit einiger Verspätung auf Hasans Frage.
»Und genau aus diesem Grund vertraue ich ihm«, entgegnete Hasan. »Er gehört zu jenen, die selbst ihre eigene Mutter in die Sklaverei verkaufen würden, wenn nur der Preis hoch genug ist.«
»Und deshalb vertraust du ihm?«, fragte Andrej ungläubig.
»Aber ja. Männer wie er sind käuflich und haben kein Gewissen«, antwortete Hasan und gestattete sich ein dünnes Lächeln, in dem nicht sehr viel echter Humor lag. »Und es gibt niemanden, der ihn besser bezahlen kann als ich.« Er wechselte praktisch mitten im Satz wieder ins Italienische. »Don Corleanis’ Männer werden aus der Pestmond ein griechisches Handelsschiff machen, passend zu unserer Gewürzladung, und aus uns und meinen Männern die dazugehörige Besatzung.«
»Sprechen deine Leute denn Griechisch?«, fragte Andrej. Er deutete auf den Sizilianer. »Oder seine?«
»Nein«, antwortete Hasan. »Aber die
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