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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das Bewusstsein verloren und war ertrunken. Genauso selbstverständlich war er mit dem Gesicht nach unten im Wasser treibend wieder aufgewacht, in ein Gewirr aus Tang und losen Tauenden verstrickt, das ihn so zuverlässig fesselte, dass er keinen Finger rühren konnte und gleich wieder ertrank. Und noch einmal und noch einmal, und möglicherweise wäre es noch so lange weitergegangen, bis der Tang vermodert gewesen wäre oder ihm die Fische alles Fleisch von den Knochen genagt hätten, hätte sich nicht irgendwann ein eiserner Haken in seine Seite gebohrt, mit dem er an Bord des Schiffes gezogen wurde, das Abu Dun und er von dem Vorsprung aus entdeckt hatten. Der Nubier musste ebenfalls hier sein, denn das Letzte, was er gesehen hatte, bevor ihm die Sinne schwanden, war Abu Dun gewesen, der eindeutig noch weniger Glück gehabt hatte als er. Denn dieser war nicht ins Wasser, sondern direkt auf das Achterdeck des Schiffes gefallen – um es wie eine Bombe zu durchschlagen und erst irgendwo kurz vor dem Kiel haltzumachen. Vielleicht auch darunter.
    Andrej lag auf dem Rücken und atmete so flach, dass ihn vermutlich selbst die meisten Ärzte für tot gehalten hätten. Darüber hinaus versuchte er so überzeugend, den Toten zu mimen, als hinge sein Leben davon ab. Wäre es nicht tatsächlich so gewesen, hätte er über dieses kleine Wortspiel möglicherweise sogar gelächelt.
    Schritte näherten sich, er hörte aufgeregte Stimmen, die in verschiedenen Sprachen durcheinanderplapperten, dann traf ihn eine Stiefelspitze so hart in die Seite, dass er um ein Haar aufgestöhnt und sich damit verraten hätte.
    »Wieso trittst du einen Toten?«, fragte eine raue Raspelstimme, die sich zwar auch des Italienischen bediente, aber eines so anderen Dialekts als Don Fettsack und seine Männer, dass es genausogut auch eine andere Sprache hätte sein können.
    Die Antwort erfolgte in einem breiten Venezianisch, begleitet von einem noch härteren Tritt, der ihm mindestens eine Rippe brach.
    »Warte ab, was der Kapitän mit uns macht, wenn er sieht, was er unserem Schiff angetan hat«, knurrte der andere. »Dann wirst du dir wünschen, dass er noch am Leben wäre, damit du ihn ganz langsam erwürgen kannst.«
    »Das war nicht er, sondern sein Begleiter, der Schwarze«, stellte der Erste richtig. »Und ich glaube nicht, dass er es sich ausgesucht hat, auf das Achterdeck zu fallen.«
    Quasi als Antwort bekam Andrej noch einen weiteren Tritt in die Rippen, dennoch wagte er es, die Augen einen haarfeinen Spalt weit zu öffnen, um einen kurzen Blick auf das Gesicht des Burschen zu werfen. Nur für den Fall, dass er sich noch mehr Grobheiten einfallen ließ. Ganz offensichtlich war er der irrigen Meinung, einem Toten ungestraft alles antun zu können, wonach ihm gerade der Sinn stand. Wenn sich die Gelegenheit ergab, das nahm sich Andrej fest vor, dann würde er eine ziemlich große Überraschung erleben.
    »Aber er hat es sich ausgesucht, sich sein Leben lang so vollzufressen, dass er das Schiff bis zur Bilge durchlöchert!«, grollte der Kerl, holte zu einem weiteren brutalen Tritt aus und bewahrte sich selbst nur vor größerem Unbill, in dem er den Fuß wieder sinken ließ. Vielleicht würde Andrej sich auch gar nicht selbst bei ihm revanchieren, sondern Abu Dun einfach erzählen, was er gerade gehört hatte. Die Vorstellung gefiel ihm.
    »Jetzt hör mit dem Unsinn auf«, sagte die andere Stimme, deren Besitzer Andrej immer noch nicht sehen konnte, »und hilf mir lieber, den Kerl unter Deck zu schaffen. Warum hast du ihn überhaupt aus dem Wasser gezogen? Hätten ihn doch die Fische fressen sollen!«
    »Weil der Kapitän es so befohlen hat.«
    »Tote aus dem Meer zu fischen?«
    »Diese beiden Toten. Er hat ausdrücklich darauf bestanden, die beiden Leichen zu sehen. Frag mich nicht nach dem Grund. Wer bin ich schon, die Befehle des Kapitäns zu hinterfragen? Also, fass mit an! Der Kerl sieht aus, als wäre er schwer.«
    Sie ergriffen Andrej an Armen und Beinen und schleiften ihn so grob über das Deck, dass er all seine Kraft brauchte, um keinen verräterischen Laut von sich zu geben, sondern weiter überzeugend die Wasserleiche zu spielen – vor allem, als die beiden sich nicht die Mühe machten, ihn die Treppe hinunterzutragen, sondern ihn kurzerhand zehn oder auch zwölf Fuß nach unten warfen; und das nicht nur ein-, sondern gleich zweimal.
    Der dritte und letzte Aufprall schließlich wurde von etwas gedämpft, das sich wie ein

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