Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
getäuscht hatte.
    Der Mann streckte die Muskete nicht in seine Richtung, damit er sich daran hochziehen konnte. Das hätte er wohl kaum so getan, dass die Mündung direkt auf seine Stirn deutete, und mit großer Wahrscheinlichkeit hätte er dabei auch nicht den Finger am Abzug gehabt. Und ganz bestimmt hätte der Mann neben ihm nicht eine zweite Waffe auf Abu Duns Gesicht gerichtet.
    »Was soll das?«, beschwerte sich Abu Dun. »Ihr habt eure Ziege doch zurück!«
    Corleanis ergriff Ayla nicht nur noch fester, sondern legte ihr auch von hinten den Arm um den Hals, sodass sie kaum noch atmen konnte. Sie versuchte sich loszureißen, hatte gegen den mindestens fünfmal so schweren Mann aber keine Chance. »Das ist jetzt aber wirklich unangenehm«, sagte er. »Ihr habt das Schiff gesehen, habe ich recht?«
    »Was für ein Schiff?«, fragte Abu Dun verwirrt. »Das hinter dem Horizont? Aber das können wir doch gar nicht sehen. Das hast du jedenfalls gesagt.«
    »Wirklich, das war nicht beabsichtigt«, fuhr Corleanis fort. Ayla versuchte noch einmal, sich loszureißen, erreichte damit aber nur, dass der Don sie mit noch mehr Kraft an sich presste und sie die Ziege losließ. Andrej konnte hören, wie die Beine des Tieres brachen, als es auf dem harten Fels aufschlug.
    »Du weißt, wer Ayla ist?«, fragte er.
    »Wahrscheinlich besser als du«, erwiderte Corleanis. Andrej sah aus den Augenwinkeln, wie sich Abu Dun fast unmerklich anspannte, und auch er musterte die drei Männer über sich nun auf die Art eines Kriegers, der möglichst unauffällig nach der Schwachstelle eines Gegners sucht. Seine und Abu Duns Position war denkbar unvorteilhaft, denn sie standen unter ihren Angreifern, auf einem schmalen Sims, der kaum ausreichte, ihren Füßen festen Halt zu bieten. Alle drei Männer zielten mittlerweile mit ihren Musketen auf sie … aber er hoffte dennoch, dass Abu Dun und er noch die eine oder andere Überraschung für die angeblichen Schmuggler parat hatten.
    »Nur keine Sorge«, fügte Corleanis noch hinzu. »Ich werde so gut auf sie achtgeben, als wäre sie mein eigen Fleisch und Blut. Und ganz ehrlich: Es tut mir aufrichtig leid.«
    Andrej begriff sehr wohl, was der Don damit meinte, und Abu Dun ebenso, doch dieses Mal kam ihrer beider Reaktion zu spät. Abu Dun schnellte wie eine lebendig gewordene Stahlfeder in die Höhe, was allerdings nur zur Folge hatte, dass die Musketenkugel seine Brust traf, und nicht sein Gesicht, und das Geschoss des zweiten Mannes lediglich seinen Oberschenkel streifte, doch er wurde mitten im Sprung herum-und zurückgerissen und stürzte lautlos an Andrej vorbei in die Tiefe.
    Noch bevor er ihn passiert hatte, feuerte auch die dritte Muskete. Andrej sah den grellen Blitz, der nach seinen Augen züngelte und roch Pulver und verbrannte Haut und drehte im allerletzten Moment den Kopf weg, sodass auch diese Kugel nicht seine Stirn traf, sondern nur eine blutige Furche an seiner Schläfe hinterließ, das Auge um Haaresbreite verfehlte und so nahe an seiner Wange entlangstrich, dass er das heiße Blei riechen konnte. Aber schon dieser Streifschuss – vielleicht auch seine eigene, zu hastige Bewegung – reichte aus, ihn ebenfalls nach hinten und von der Felskante stürzen zu lassen.
    Zumindest, dachte er, konnte er jetzt ein weiteres Argument vorbringen, warum er Schusswaffen so sehr verachtete.

Kapitel 27
    D as Erwachen war eine Qual. Es war immer eine Qual, und entgegen einem weitverbreiteten Irrtum, der ebenso fatal war, wie er sich hartnäckig hielt, war Ertrinken keine angenehme Art zu sterben – doch dieses Mal war es ganz besonders schlimm gewesen. Vielleicht, weil er gleich etliche Male hintereinander ertrunken war, drei-, vier-, fünfmal oder vielleicht auch noch öfter, denn irgendwann hatte er aufgehört zu zählen. Vielleicht auch, weil ihm jedes einzelne Mal noch schlimmer vorgekommen war als das davor.
    Die übellaunigen Schicksalsgötter, mit denen er es sich vor so langer Zeit verdorben zu haben schien, mussten an diesem Tag besonders schlecht aufgelegt gewesen sein (oder gut, das kam ganz auf den Standpunkt an), denn er war der Musketenkugel zwar ausgewichen, aber nur, um den gut hundert Fuß tiefen Sturz von den Klippen auch gebührend genießen zu können, genau wie die insgesamt dreimal, die er gegen die Wand geprallt war.
    Auch das hatte ihn nicht lebensgefährlich verletzt, aber ekelhaft wehgetan, und selbstverständlich hatte er beim Aufprall auf die Wasseroberfläche

Weitere Kostenlose Bücher