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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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… in deiner Freiwache, versteht sich.«
    »Aber …«
    »Ich schaue mir deine Arbeit morgen früh an. Ich kann dir nur raten, sie gut zu machen. Ich möchte schließlich nicht mit einem schwimmenden Wrack in den Stazione Marittima einlaufen.«
    Dieses Mal war der Seemann klug genug, nicht zu widersprechen, und nach einer weiteren Pause fuhr der Kapitän in erneut verändertem Ton fort: »Durchsucht sie! Ich will wissen, was sie bei sich tragen. Und dann richtet die Leichen her, damit wir sie mitnehmen können! Unser Herr will sie sehen.«
    Damit ging er, und der Matrose wartete, bis seine Schritte auf dem darüberliegenden Deck verklungen waren, bevor er in bewusst nörgeligem Ton fortfuhr: »Wir nehmen sie mit! Was denkt sich der Kerl? Sie fangen an zu stinken, lange bevor wir wieder in Venedig sind!«
    »Dann stell dich daneben, und es fällt nicht mehr so auf«, riet ihm sein Kamerad.
    »Pass bloß auf, was du sagst!«, zischte der Matrose. »Das Meer ist groß, und Unfälle passieren auf Schiffen immer wieder … Madonna mia, hast du schon einmal so ein Schwert gesehen? Hilf mir, es rauszuziehen! Für das Ding braucht man ja vier Hände!«
    Spätestens jetzt erwartete Andrej, dass Abu Dun eine wundersame Wiederauferstehung erleben und die Matrosen davon abhalten würde, den gewaltigen Krummsäbel aus der Scheide an seinem Gürtel zu ziehen. Doch der Nubier spielte weiter überzeugend den toten Mann und amüsierte sich wahrscheinlich köstlich darüber, wie sich die beiden Burschen schnaubend und prustend mit einer Waffe abmühten, die er normalerweise mit nur einer Hand schwang.
    »Und sieh dir bloß mal seine Hand an! Sie ist aus Eisen! Ich frage mich, ob der Kapitän nicht recht hat. Ist das überhaupt noch ein Mensch?«
    Erstaunlicherweise reagierte Abu Dun auch darauf nicht (Andrej nahm an, dass er Punkte sammelte, um sie dann später dem Burschen unter die Nase zu reiben – und das unter Umständen sogar wortwörtlich), doch der Matrose sagte: »Dann kannst du ihn ja auch durchsuchen. Ich sehe mir den anderen Kerl an. Er sieht so aus, als wäre bei ihm was zu holen.«
    »Der Kapitän wird es nicht dulden, wenn du ihn fledderst«, warnte sein Kamerad, bekam aber nur ein raues Lachen zur Antwort.
    »Aber er hat doch gerade selbst gesagt, dass wir sie durchsuchen sollen, oder?«
    Schritte näherten sich, dann wurde Andrej grob auf den Rücken gedreht, woraufhin ein erstaunter Pfiff erscholl. »Na, sieh sich einer das an!«
    Sofort näherten sich auch die Schritte eines zweiten Mannes, und ein Andrej inzwischen schon bekannter übler Geruch hüllte ihn ein. »Was?«
    »Dieses Schwert!«
    Andrej riskierte gerade in dem Moment einen weiteren Blick, als sich die beiden Männer über ihn beugten und in ihren Augen blanke Gier aufleuchtete. Der Mann mit der Raspelstimme runzelte die Stirn, als er Andrejs rechte Hand bemerkte, die beim Umdrehen in einer ganz und gar nicht zufälligen Bewegung auf dem Schwertgriff gelandet war.
    »Schau dir dieses Prachtstück an!«, sagte er. »Kannst du dir vorstellen, was ein solches Schwert wert ist?«
    »Unser Leben, wenn der Kapitän herausfindet, dass wir es gestohlen haben«, antwortete sein schmerbäuchiger Kamerad.
    »Wenn er es gesehen hätte, hätte er es längst an sich genommen«, behauptete Raspelstimme. »Wir tauschen es aus und verkaufen es, wenn wir zurück sind. Ich kenne jemanden, der zahlt uns mehr als eine Jahresheuer für dieses Schwert!«
    Andrej sah, wie es im Gesicht seines Kameraden zu arbeiten begann, aber Raspelstimme ließ ihm gar keine Zeit, über seinen Vorschlag nachzudenken, sondern sank auf die Knie und griff mit beiden Händen nach Andrejs Fingern, um sie vom Griff des kostbaren Saif zu lösen – dessen Gegenwert im Übrigen mindestens dem dieses Schiffes entsprach und nicht einer Jahresheuer. Unglückseligerweise war bei dem Toten, den Andrej spielte, schon die Leichenstarre eingetreten, sodass es dem Matrosen trotz aller Anstrengung nicht gelang, seine Finger zurückzubiegen.
    »Lass es sein«, sagte Schmerbauch unbehaglich. »Du wirst an der Rahe hängen, wenn das herauskommt.«
    »Und dir schneide ich die Kehle durch, wenn du mich verrätst«, drohte Raspelstimme. »Du musst nicht mit mir teilen, wenn du nicht willst. Ich behalte auch gern alles für mich allein. Aber du hältst den Mund, oder du bist tot. Und jetzt lass verdammt noch mal los!«
    Die letzten Worte galten Andrej, auf die dieser aber als Leiche naturgemäß nicht reagieren

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