Pestmond (German Edition)
Toten auferstehen lassen?«
»Nein«, sagte Hasan. »Niemand besiegt den Tod, Andrej. Aber der Weg dorthin ist weiter, als die meisten ahnen. Du solltest das eigentlich wissen. Manchen ist es gegeben, auf halber Strecke umzukehren, so wie dir und deinem Freund und den anderen deiner Art. Aber er ist schon zu weit gegangen, um den Weg allein zurückzufinden.« Er deutete mit dem Kopf auf das Fläschchen. »Das da wird ihm helfen.«
»Und wenn nicht?«
»Stirbt er«, antwortete Hasan. »Vielleicht morgen oder in einem Jahr, ich weiß es nicht. Aber es wird schwerer für ihn zurückzufinden, je länger wir warten.«
»Das heißt, ich töte einen Mann für dich, und dafür gibst du mir Abu Dun zurück.«
»Ein Leben für ein Leben«, bestätigte Hasan. »Ein Leben, das so oder so ausgelöscht wird, falls dir das ein Trost ist. Niemand, dessen Tod der Alte vom Berge einmal beschlossen hat, überlebt dieses Urteil. Wenn ihr es nicht tut, schicke ich einen anderen.«
»Aber du riskierst lieber unsere Leben als die deiner Männer«, sagte Andrej. Er bedauerte diese Worte sofort, ebenso wie überhaupt geantwortet zu haben, denn er spürte bereits, wie verlockend logisch Hasans Argument klang. Und wie falsch es war.
»Wen immer ich auf diese Mission schicken würde, er käme nicht zurück«, antwortete Hasan. »Und ich will ehrlich sein. Seine Aussichten wären nicht gut, es überhaupt zu schaffen. Ich bitte dich nicht, einen Fischer zu töten oder einen einfachen Bauern.«
»Sondern?«
»Heißt das, du nimmst mein Angebot an?«
Andrej schwieg. Immer noch fiel es ihm schwer, klar zu denken. Und wie auch? Vielleicht nur um Zeit zu gewinnen, fragte er: »Und wen sollen wir töten?«
Er hasste sich dafür, dass er die Frage stellte, und er wusste, dass er es für den Rest seines Lebens tun würde. Aber er würde sich genauso dafür hassen, es nicht getan zu haben.
»Niemanden, dem du schon begegnet bist, wenn es das ist, was du fürchtest«, sagte Hasan. »Ich schicke niemals einen Mann, der sein Opfer kennt … obwohl ich in diesem Fall annehme, dass du zumindest schon einmal von ihm gehört hast. Aber das hat wohl jeder.«
»Wer ist es?«, fragte Andrej noch einmal. Er starrte Abu Dun an, wie um seine Erlaubnis einzuholen.
»Clemens der Neunte«, antwortete Hasan.
Andrej riss seinen Blick von Abu Duns Gesicht los und konnte selbst spüren, wie sich seine Augen vor Unglauben weiteten. »Wer?«
»Clemens der Neunte«, wiederholte der Alte vom Berge. »Giulio Rospigliosi. Der Papst.«
Kapitel 7
D u hast was? «
Es war nicht das erste Mal, dass Andrej sich vergeblich fragte, wie Abu Dun es fertigbrachte zu schreien, ohne dabei die Stimme zu erheben, doch dies war eine der eher seltenen Gelegenheiten, wo dieser so trügerisch leise Zorn ihm galt – und einer der noch selteneren Momente, in denen er echt war und nicht Teil des gutmütigen Geplänkels zwischen ihnen, in dem der Nubier nur zu gerne die Rolle des tumben Mohren übernahm, dessen Intelligenz in genauem Gegensatz zu seiner Körpergröße stand.
Was wiederum zu einer anderen und kaum weniger angenehmen Frage führte, nämlich der, wie sich all die anderen Männer gefühlt haben mussten, die Abu Dun jemals auf diese ganz spezielle Art angesehen hatte. Für nicht wenige war es das Letzte gewesen, was sie gesehen hatten.
Statt zu antworten, rutschte er unauffällig ein Stück von dem Nubier weg und wich seinem Blick aus – auch wenn für das eine kaum genügend Platz war und das andere nicht viel half, weil er Abu Duns Starren mit körperlicher Intensität spürte.
Wenn man es genau nahm, dann hatte sich eigentlich nicht viel geändert. Seine Hände waren nicht mehr mit eisernen Ringen aneinandergebunden, und die Wände bestanden nicht mehr aus jahrtausendealtem Stein, sondern aus Segeltuch, und er drohte auch nicht mehr zu verdursten. Aber er war noch immer gefangen, und er fühlte sich in Abu Duns Nähe noch immer so unbehaglich, dass es ihm schier den Atem abschnürte, wenn auch aus einem gänzlich anderen Grund.
»Ich dachte, Hasan hätte es dir erklärt«, sagte er mit gehöriger Verspätung.
»Ja, das hat er«, schnaubte Abu Dun. »Aber vielleicht wäre es mir ja lieber gewesen, es von dir zu erfahren.«
Andrej erging es nicht anders, aber was hätte er antworten sollen? Dass Hasan ihn zwei Tage lang nicht zu Abu Dun gelassen hatte, weil seine geheimnisvolle Medizin angeblich dieselbe Zeit brauchte, den Nubier aus der Zwischenwelt
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