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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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war, wie sie aussah.
    »Mit ein bisschen Glück behalten sie ihn ja«, sinnierte Abu Dun.
    Andrej setzte gerade zu einer Antwort an, da brach hinter ihnen ein Tumult los. Eine Frau schrie, dann ertönte ein Klatschen und Reißen und schließlich ein zorniges Gebrüll, das unvermittelt in einen schrillen Schmerzensschrei überging. Im ersten Moment sah Andrej nur aufgeregte Bewegung in der Menge, wie eine Spur, die sich durch die Menschen zog. Er blickte hinter sich, riss erschrocken die Augen auf und fuhr dann so heftig im Sattel herum, dass das Kamel scheute und einem Mann auf den Fuß trat, der mit einem schrillen Kreischen davonhüpfte und das Seinige zu dem allgemeinen Tohuwabohu beitrug.
    Aylas Sattel war leer. Sie war fort.
    »Verdammt!«, entfuhr es ihm. »Du solltest doch auf sie aufpassen!«
    »Ich?«, beschwerte sich Abu Dun. »Ich habe nichts dergleichen …«
    Andrej schnitt ihm das Wort ab, indem er sich rasch aus dem Sattel schwang und losstürmte. Obwohl er die meisten Umstehenden um eine halbe Handspanne überragte, wäre er vermutlich schon nach wenigen Schritten hoffnungslos in der Menge stecken geblieben, wäre nicht Abu Dun augenblicklich seinem Beispiel gefolgt und wie ein lebender Rammbock durch die Menschenmenge gepflügt.
    Doch so schwerfällig und plump Abu Dun auch wirken mochte, so schnell konnte er sein. Sie kamen rasch vorwärts, und als Andrej schließlich den Grund der Aufregung erkannte, beschleunigte er noch einmal seinen Schritt und sprintete sogar an Abu Dun vorbei.
    Vor ihnen war heftiges Gerangel zwischen gleich vier Gestalten ausgebrochen, drei davon in den bunten Kleidern, die hier allgemein üblich zu sein schienen, die vierte deutlich kleiner, ganz in Schwarz und mit verhülltem Gesicht. Zwei der Männer versuchten Ayla zu halten (was ihnen sichtlich Schwierigkeiten bereitete), während der dritte ein Stück zurückgetaumelt war und die linke Hand auf sein rechtes Gelenk presste. Blut quoll in einem zähen Strom zwischen seinen Fingern hervor.
    »Das verdammte Biest hat mich gebissen!«, schrie er. »Haltet sie fest, damit ich sie …«
    Andrej erfuhr nie, was der Bursche Ayla zugedacht hatte, denn Abu Dun stürmte nun wieder an ihm vorbei, packte den Mann mit nur einer Hand am Kragen und schleuderte ihn in hohem Bogen davon, sodass er einfach in der Menschenmenge verschwand. Andrej stieß einen der beiden anderen Männer, die Ayla gepackt hatten, zu Boden und drehte dem dritten so hart den Arm auf den Rücken, dass er mit einem Schrei vor ihm auf die Knie fiel.
    »Was ist hier los?«, herrschte er ihn an. »Was hast du ihr getan?«
    Abu Dun hatte sich inzwischen den anderen Mann gepackt, riss ihn auf die Füße und hielt ihn mit solcher Kraft fest, dass er kaum noch Luft bekam. Andrej sah jedoch nicht einmal hin, sondern verdrehte den Arm seines Gefangenen nur noch härter, bis das Schultergelenk knirschte wie ein rostiges Scharnier.
    »Rede!«
    »Sie hat mich … bestohlen!«, wimmerte der Mann. »Bitte, Herr, ich wollte ihr … nichts zuleide tun!«
    Andrej ließ den Mann nicht los, verzichtete aber immerhin darauf, ihm die Schulter zu brechen, wozu er nicht übel Lust hatte. Er sah zu Ayla zurück, die sich gerade aufrappelte und mit fliegenden Fingern den Schleier wieder vor ihrem Gesicht befestigte. »Ist das wahr?«
    »Ich habe nichts gestohlen!«, erwiderte Ayla trotzig. Ihre dunklen Augen blitzten, und sie starrte den Mann hasserfüllt an. »Er lügt!«
    »Das ist nicht wahr!« Die Stimme des Mannes drohte überzuschnappen, was vielleicht daran lag, dass Andrej den Druck auf seinen Arm wieder erhöht hatte. »Sie hat … eine Kette genommen. Seht in … ihrer Tasche nach!«
    Andrej überlegte einen Moment – und griff dann, ohne den Mann loszulassen, so blitzschnell zu, dass Ayla die Bewegung nicht kommen sah, geschweige denn etwas dagegen tun konnte. Seine Hand glitt in ihre Manteltasche und kam mit etwas Kleinem und Glitzerndem wieder zum Vorschein.
    Es war eine Kette, wechselweise aus winzigen Korallen und goldenen Symbolen gefertigt und mit einem etwas größeren vergoldeten Anhänger. Billiger Tand zweifellos, aber hübsch.
    »Das gehört mir!«, behauptete Ayla. »Das habe ich schon lange!«
    »Sie hat es gestohlen!«, beteuerte der Mann. Andrej lockerte seinen Griff ein wenig, als er sein schmerzverzerrtes Gesicht sah. »Geht mit mir zu meinem Stand! Ich zeige Euch meine anderen Arbeiten! Ich mache diesen Schmuck selbst!«
    Andrej zögerte und sah Ayla noch

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