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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Ellbogen sinken und blinzelte ein paarmal, damit sich sein Blick klärte. Es half, aber es machte die schäbige Umgebung nicht angenehmer und das zerfurchte Gesicht seines Gegenübers nicht ansehnlicher.
    »Ich weiß, es ist nicht unbedingt die Art von Unterkunft, die du gewohnt bist, aber es ist das Beste, was ich dir zurzeit anbieten kann«, sagte Hasan, beinahe als hätte er seine Gedanken gelesen. »Und es ist auch nicht für lange«, fügte er nach kurzem Zögern noch hinzu.
    »Was heißt das: Es war nur ein Traum?«, fragte Andrej.
    Statt direkt zu antworten, lächelte Hasan geheimnisvoll und sagte: »Du scheinst mir lange nicht mehr neben einer Frau aufgewacht zu sein … oder sie war wirklich sehr diskret. Sonst wüsstest du, dass du im Schlaf redest.«
    »Und was habe ich gesagt?«, fragte Andrej.
    In Hasans Lächeln mischte sich nun eine Spur von Spott. »Auch ich bin sehr diskret, Andrej. Eine meiner wenigen Eigenschaften, auf die ich ganz unverhohlen stolz bin.«
    »Obwohl Stolz doch eine Sünde ist?«
    »Nur wenn es falscher Stolz ist und du dich über andere erhebst, weil du dich darin sonnst und für etwas Besseres hältst. Gott verbietet dem Menschen nicht jede kleine Freude, solange sie anderen nicht schadet.«
    »Dann müsste er jemandem wie Euch doch eigentlich das ganze Leben verbieten, Hasan as Sabah«, erwiderte Andrej. Er suchte vergeblich nach Ärger in Hasans Augen. Der Alte vom Berge wirkte allenfalls amüsiert.
    »Dein Freund und du habt gute Arbeit geleistet, Andrej. Ich bin euch wirklich dankbar, denn möglicherweise hätte es noch mehr meiner Männer das Leben gekostet, das Schiff von diesen … Kreaturen zu säubern.« Andrej dachte an Hasans Ausführungen über die Verwerflichkeit von Stolz und sagte nichts. »Ich fürchte«, fuhr Hasan fort, »ich muss dich noch einmal um deine Hilfe bitten, Andrej.«
    »Was für eine Überraschung.« Andrej schwang die Beine von der Liege, die kaum breit genug für ein Kind und hart wie Stein war, und blickte sich missmutig in der winzigen Kammer um. Die wenigen Möbel schienen größtenteils aus Treibholz zu bestehen und es stank nach schalem Bier, verdorbenen Lebensmitteln und kaltem Schweiß. Ein Fenster, durch das Licht oder gar frische Luft Einlass gefunden hätte, war nicht vorhanden, nur zwei qualmende Talgkerzen.
    »Wen soll ich für dich umbringen?«, fragte er.
    Hasan zog eine Grimasse. »Du hast niemanden umgebracht, Andrej. Die Männer waren schon tot. Eher hast du ihnen einen Gefallen getan.«
    Etwas in ihm regte sich auf diese Worte, etwas Unbekanntes, doch instinktiv schreckte er zurück. Um sich abzulenken, sah er an sich herab und erblickte einen straff angelegten sauberen Verband um den Knöchel, und nun, einmal darauf aufmerksam geworden, meinte er auch zu seinem Erstaunen ein leises Pochen zu spüren, wie von einer fast verheilten Wunde, die sich in Erinnerung bringen wollte.
    Nachdenklich betrachtete Andrej den verbundenen Fuß, dann zog er den Dolch aus dem Gürtel, schloss die linke Faust fest um die Klinge und zog die Waffe dann mit einem Ruck und so schnell heraus, dass der glänzende Stahl vollkommen unbefleckt blieb. Zwischen seinen fest geschlossenen Fingern tropfte jedoch hellrotes Blut hervor, und es tat unerwartet heftig weh.
    Andrej wartete, bis der Schmerz abgeklungen und das rote Tröpfeln aus seiner Hand versiegt war, zählte dann in Gedanken noch einmal langsam bis zwanzig und öffnete die Faust. Seine Hand war rot von seinem eigenen Blut, doch nachdem er es an dem schmuddeligen Bettlaken abgewischt hatte, präsentierte sie sich ihm vollkommen unversehrt. Hasan wirkte irritiert und vielleicht ein ganz kleines bisschen erschrocken.
    »Ein Trick«, sagte Andrej, indem er ihm die nun wieder unversehrte Hand entgegenstreckte. »Du kennst doch diese Taschenspielertricks, mit denen die Gaukler auf dem Jahrmarkt ihr Publikum verblüffen.«
    »Sie sind auf jeden Fall geschicktere Lügner als du, Andrej«, sagte Hasan, ohne den Blick von Andrejs Hand losreißen zu können. »Ich weiß, was du bist.«
    »Warum spielst du dann den Erstaunten?«
    »Weil es eine Sache ist, von etwas zu wissen, und eine ganz andere, es mit eigenen Augen zu sehen.« Hasan machte eine Kopfbewegung auf Andrejs Hand, die dieser ganz instinktiv zur Faust ballte. »Dennoch wäre es besser, wenn du so etwas nicht unbedingt wiederholen würdest, wenn jemand dabei ist.«
    »Weil deine Männer nicht wissen, was Abu Dun und ich sind?«
    »Ich habe

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