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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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uns an.
    » Majam «, sage ich. »Ein Verarbeitungsstadium zwischen Rohopium und Heroin. Ölhaltig, deshalb muß es in den Kühlschrank. Tørk hat es entwickelt. Ravn hat mir davon erzählt. Es ist ein Teil der Absprache zwischen Tørk und Verlaine. Das ist Verlaines Anteil. Es ist so gedacht, daß wir auf dem Rückweg einen Hafen anlaufen. Vielleicht Holsteinsborg, vielleicht Nuuk. Vielleicht hat er Verbindungen auf der Greenland Star. Vor gerade mal zehn Jahren haben sie Alkohol und Zigaretten hier herauf geschmuggelt. Das ist inzwischen vorbei. Das sind schon die guten alten Zeiten. Jetzt gibt es in Nuuk massig Kokain. Und eine grönländische Oberschicht, die wie die Europäer lebt. Hier oben ist der beste Markt.«
    Seine Blick ist verträumt, weit weg. Ich muß ihn erreichen.
    »Jakkelsen muß es entdeckt haben. Er muß es herausgekriegt haben. Und dann hat er sich verraten. Er war high, absolute Selbstüberschätzung. Er hat sie unter Druck gesetzt. Das hat sie gezwungen, etwas zu unternehmen. Tørk hat dann das Telegramm für sie übernommen. Er mußte. Aber er und Verlaine hassen sich. Sie kommen aus zwei verschiedenen Welten. Sie sind nur zusammen, weil sie sich ausnützen können.«
    Er beugt sich zu mir herunter und nimmt meine Hände.
    »Smilla«, flüstert er, »als Kind, da hatte ich so einen Panzer zum Aufziehen, der fuhr auf Raupen. Wenn man etwas davorgelegt hat, ist er senkrecht daran hinaufgekrochen, weil er eine ganz kleine Übersetzung hatte. Wenn etwas von oben herunterhing, machte er kehrt, kroch daran entlang und suchte sich einen anderen Weg. Er war nicht aufzuhalten. Du bist genauso eine Maschine, Smilla. Du hättest aus alldem hier herausgehalten werden sollen, aber du bist immer wieder hineingeraten. Du hättest in Kopenhagen bleiben sollen, aber plötzlich bist du an Bord. Sie sperren dich also ein, das war meine Idee, es ist das Sicherste für dich. Es wird abgeschlossen, Schluß mit Smilla, und dann bist du plötzlich wieder draußen. Du kommst immer wieder hoch. Du bist genau so eine Maschine, Smilla, ein Stehaufmännchen, das sich immer wieder aufrichtet.«
    In seiner Stimme streiten sich unvereinbare Gefühle.
    »Als ich klein war«, sage ich, »hat mir mein Vater einen Plüschteddy geschenkt. Davor hatten wir nur die Puppen, die wir selbst gemacht hatten. Er hielt eine Woche. Erst wurde er dreckig, dann fielen die Haare aus, danach bekam er ein Loch, die Füllung rieselte heraus, und dann war er innen leer. Du bist auch so ein Teddybär, Føjl.«
     
    Wir sitzen in seiner Kajüte nebeneinander auf der Koje. Auf dem Tisch steht eine der flachen Flaschen, doch nur er trinkt.
    Er sitzt gekrümmt, die Hände zwischen den Schenkeln.
    »Es ist ein Meteor«, sagt er, »eine Art Stein. Tørk sagt, er ist alt. Er hat sich in einer Art Sattel in der Klippe unter dem Eis verkeilt. Wir sollen ihn holen.«
    Ich denke an die Fotografien unter Tørks Papieren. Bereits da hätte ich es erraten müssen. Die Fotos, die an Röntgenaufnahmen erinnerten. Die Widmanstättenschen Figuren. In jedem Schulbuch zu finden. Der sichtbare Ausdruck des Verhältnisses zwischen Nickel und Eisen in Meteoriten.
    »Warum gerade der?«
    »Wer in Grönland etwas Interessantes findet, muß es dem Landesmuseum in Nuuk melden. Dort würden sie das Mineralogische Museum und das Institut für Metallurgie in Kopenhagen anrufen. Man würde den Fund als national interessant registrieren und ihn beschlagnahmen.«
    Er beugt sich vor.
    »Tørk sagt, er wiegt fünfzig Tonnen. Es ist der größte Meteor aller Zeiten. 1991 hatten sie Sauerstoff und Acetylen mit. Sie haben ein paar Stücke abgeschnitten. Tørk sagt, es sind Diamanten darin. Substanzen, die es auf der Erde nicht gibt.«
    Wenn nicht diese verquere Situation gewesen wäre, hätte ich vielleicht gedacht, er hat etwas Rührendes, etwas Jungenhaftes. Die Begeisterung des Kindes bei dem Gedanken an den rätselhaften Stoff, die Diamanten, das Gold am Ende des Regenbogens.
    »Und Jesaja?«
    »Er ist 1991 dabeigewesen. Er war mit seinem V-Vater mit.«
    Natürlich, so mußte es zusammenhängen.
    »Er ist in Nuuk vom Schiff abgehauen. Sie mußten ihn zurücklassen. Loyen hat ihn gefunden und nach Hause geschickt.«
    »Und du, Føjl«, sage ich. »Was wolltest du von ihm?«
    Als er versteht, was ich meine, verschließt sich sein Gesicht und wird sehr hart. In diesen Minuten, wo sowieso alles zu spät ist, dringe ich zu den entferntesten Winkeln seines Wesens vor.
    »Ich habe ihn

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