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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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nicht angefaßt, bestimmt nicht, dort oben auf dem Dach. Ich mochte ihn, wie ich n-nie . . .«
    Sein Stottern erstickt ihm den Satz. Er wartet, bis sich die Spannung gelegt hat.
    »Tørk wußte, daß er etwas mitgenommen hatte. Ein K-Kassettenband. Der Gletscher hatte sich verschoben. Sie suchten vierzehn Tage lang, ohne ihn zu finden. Z-zuletzt charterte Tørk einen Hubschrauber und flog nach Thule. Um die Eskimos zu finden, die 1966 dabeigewesen waren. Er fand sie. Aber sie w-wollten nicht mit zurück. Er bekam also eine Routenbeschreibung. Das Band hat der Baron genommen. Du hast es gefunden.«
    »Und der Weiße Schnitt, wieso bist du da eingezogen?«
    Ich kenne die Antwort.
    »Ving«, sage ich. »Es war Ving. Er hat dich im Weißen Schnitt untergebracht, damit du Jesaja und Juliane im Auge behalten konntest.«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Umgekehrt, natürlich«, sage ich. »Du warst zuerst da. Ving hat Jesaja und Juliane dort einziehen lassen, um sie in deiner Nähe zu haben. Vielleicht um herauszubekommen, wieviel sie wußten und an wieviel sie sich erinnerten. Deshalb wurde Julianes Gesuch, nach unten ziehen zu dürfen, nicht stattgegeben. Sie sollten in deiner Nähe sein.«
    »Seidenfaden hat mich angestellt. Von den beiden anderen hatte ich noch nie gehört. Nicht, bevor du sie gefunden hattest. Ich hatte für Seidenfaden getaucht, er ist Transportingenieur. Damals handelte er mit Antiquitäten. Ich habe für ihn nach Götterbildern getaucht, im Liai-See, in Birma, vor dem Ausnahmezustand.«
    Ich denke an den Tee, den er für uns gemacht hat, an den Geschmack der Tropen.
    »Später bin ich in Kopenhagen über ihn gestolpert. Ich war arbeitslos. Hatte k-keine Wohnung. Er bot mir an, ich könnte den Baron im Auge behalten.«
    Es gibt keinen Menschen, der sich nicht erleichtert fühlt, wenn er gezwungen wird, die Wahrheit zu erzählen. Der Mechaniker ist kein geborener Lügner.
    »Tørk?«
    Sein Blick wird weit.
    »Jemand, der durchzieht, was er sich vorgenommen hat.«
    »Was weiß er über uns? Weiß er, daß wir jetzt hier sitzen?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Und du, Føjl, wer bist du?«
    Sein Gesicht wird leer. Das ist eine Frage, zu der er in seinem ganzen Leben noch nie Stellung genommen hat.
    »Jemand, der gern ein bißchen Geld verdienen möchte.«
    »Hoffentlich ist es viel«, sage ich. »Es muß immerhin den Tod von zwei Kindern kompensieren.«
    Sein Mund wird ein schmaler Schlitz.
    »Gib mir einen Schluck«, sage ich.
    Die Flasche ist leer. Er holt eine andere aus der Schublade. Ich erhasche einen Blick auf eine runde, blaue Plastikdose und einen um ein Rechteck gewickelten gelben Putzlappen. Der Alkohol geht weg wie nichts.
    »Loyen, Ving, Andreas Fine Licht?«
    »Die w-waren von Anfang an abgehängt. Sie sind z-zu alt. Das hier sollte unsere Expedition sein.«
    Hinter seinen Klischees höre ich Tørks Stimme. Naivität hat etwas Sympathisches. Bis sie verführt wird. Dann ist sie nur noch deprimierend.
    »Als ich anfange, anstrengend zu werden, macht ihr also ab, daß du mir einfach folgst?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Von dem hier oder von Tørk und Katja hatte ich nichts gehört. Das kam erst später. Was du und ich herausbekommen haben, das war neu für mich.«
    Jetzt sehe ich ihn, wie er ist. Es ist nicht unbedingt ein enttäuschender Anblick. Er ist nur komplexer, als ich zuerst gesehen habe. Faszination vereinfacht. Wie die Mathematik. Ihn zu sehen, wie er ist, heißt nüchtern werden, die Illusion von einem Helden fahrenzulassen und in die Wirklichkeit zurückzukommen.
    Oder ich bin schon nach den ersten paar Schlucken blau. Das kommt davon, wenn man so selten trinkt. Man ist blau, sobald sich die ersten Moleküle in die Schleimhäute der Mundhöhle einsaugen.
    Er steht auf und geht zum Bullauge. Ich lehne mich vor. Mit der einen Hand nehme ich die Flasche, mit der anderen ziehe ich die Schublade heraus und befühle den Putzlappen. Er ist um ein rundes, geriffeltes Metallstück gewickelt.
    Ich sehe ihn an. Ich sehe seine Schwere, seine Langsamkeit, seine Tatkraft, seine Gier und seine Einfältigkeit. Sein Bedürfnis nach einer Autorität, seine Gefährlichkeit. Ich sehe aber auch seine Sorgfalt, seine Wärme, seine Geduld, seine Leidenschaft. Und ich sehe, daß er immer noch meine einzige Chance ist.
    Da schließe ich die Augen und mache innerlich reinen Tisch. Unsere wechselseitige Verlogenheit, die unbeantworteten Fragen, die begründeten und die krankhaften Verdächtigungen – weg

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