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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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Viertelstunde.
    Jetzt schlafen selbst die Maschinen. Die Stadt wirkt weit weg. In den öden Straßen, durch die ich komme, liegt trotzdem ein Abglanz ihres Lichts. Am schwarzblauen Himmel ziehen hin und wieder vereinzelte Raketen eine ätzende Leuchtspur und explodieren. Der ferne Knall braucht einige Zeit, bis er mich erreicht! Es ist Silvester.
    Hier gibt es keine Straßenbeleuchtung. Gegen den helleren Himmel sind die Kräne stille Silhouetten. Alles ist geschlossen,gelöscht, aufgegeben.
    Die Kaianlage, Svajerbryggen, ist eine weiße Fläche in der Dunkelheit. Der neue Schnee auf dem Eis sammelt das bißchen Licht des Raumes und strahlt matt. Hier ist vor mir nur ein einzelnes Auto gewesen, ich gehe in seiner Fahrspur.
    Das Schild an der Latte steckt immer noch in Plastik. Mit dem kleinen Riß, den ich zurückgelassen habe. Auf dem Kai, Gangway und einem Teil des Decks ist der Schnee geräumt. Ein paar Kisten sind umgestellt worden, um einer Palette mit roten Kanistern Platz zu machen. Abgesehen vom Schnee, den Kanistern und der Dunkelheit ist alles wie gestern.
    An Bord ist kein Licht.
    Auf dem Weg über die Gangway fallen mir die Autospuren ein. Im Schnee verursachen Reifenprofile in der Spur einen leichten Rückwärtsrutscher. Die Spur, der ich gefolgt bin, führte zum Hafen hinunter. Es gab keine Spur zurück. Es gibt keinen anderen Weg zur Svajerbrygge als den, den ich genommen habe. Doch Auto ist nirgendwo zu sehen.
    Die lackierte Tür ist geschlossen, aber nicht abgeschlossen. Dahinter ein schwaches Licht.
    Ich weiß, daß der Glasfasereskimo dasein wird. Das Licht kommt von irgendwoher hinter dem Schirm. Auf dem Schreibtisch steht eine kleine Leselampe. Hinter dem Tisch sitzt Professor und Museumskurator Andreas Licht. Er hält den Kopf schief und lächelt mich breit an.
    Als ich um den Schreibtisch herumgehe, verläßt das Lächeln sein Gesicht nicht.
    Er hält seinen Stuhl mit beiden Händen unter dem Sitz fest. Als wollte er sich selbst aufrecht halten.
    Von nahem sehe ich, daß er die Zähne bleckt. Er hält den Stuhl auch nicht gepackt, seine Hände sind mit dünnen Kabeln aus Kupferdraht gefesselt. Ich befühle ihn. Er ist warm. Ich lege die Finger an seinen Hals. Kein Puls. Auch kein Herzschlag. Jedenfalls nicht so, daß ich ihn spüren kann.
    In dem mir zugewandten Ohr hat er Watte. Wie kleine Kinder, die Mittelohrentzündung haben. Ich gehe um ihn herum. Er hat auch in dem anderen Watte.
    Meine Neugierde ist aufgebraucht. Ich will nach Hause.
    In dem Moment wird die Luke oben an der Treppe geschlossen. Keine Warnung. Kein Geräusch von Schritten. Sie wird einfach still und ruhig geschlossen. Danach wird sie von außen zugeschlossen.
    Dann geht das Licht aus.
    Erst jetzt verstehe ich, warum in dem Raum so wenig Licht gewesen ist. Blinden nützt Licht gar nichts. Absurd, gerade jetzt daran zu denken. Doch das ist im Dunkeln mein erster Gedanke.
    Ich hocke mich hin und krieche unter den Schreibtisch. Das ist vielleicht nicht vernünftig und vielleicht Vogel-Strauß-Politik. Aber ich habe keine Lust, in die Dunkelheit hineinzuragen. Ich spüre die Knöchel des Kurators. Auch sie sind warm. Und ebenfalls mit Metalldraht an den Stuhl gebunden. Auf dem Deck über meinem Kopf bewegt sich etwas. Etwas wird geschleppt. Ich taste in der Dunkelheit herum und erwische eine Telefonleitung. Ich folge ihr und habe plötzlich das Ende zwischen den Fingern. Sie ist aus dem Telefon herausgerissen worden.
    Dann startet die Schiffsmaschine. Das langsame Erwachen eines großen Dieselmotors. Er bleibt im Leerlauf.
    Da laufe ich in die Dunkelheit hinein. Ich habe mich vor vierundzwanzig Stunden einmal in diesem Raum orientiert. Ich weiß also, wo eine Tür ist. Ich erreiche das Schott direkt daneben. Sie ist nicht abgeschlossen. Als ich durch bin, wird das Maschinengeräusch deutlicher.
    Der Raum hat zum Kai hin kleine, hochgelegene Bullaugen. Durch sie fällt schwaches Licht ein. Der Raum erklärt, wie der Kurator sein Transportproblem gelöst hat. Er ist an Bord geblieben. Hier hat man ein Schlafzimmer für ihn eingerichtet. Ein Bett, ein Nachttisch, ein eingebauter Schrank.
    Hinter der am weitesten entfernten Wand muß der Maschinenraum liegen. Er ist isoliert, trotzdem ist das Stampfen deutlich zu hören. Als ich versuche, aus einem Bullauge hinauszusehen, wird aus dem Lärm ein Heulen. Das Schiff schwingt langsam vom Kai ab. Jemand hat einen Gang eingelegt, doch es ist kein Mensch zu sehen. Nur die schwarze Kontur

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