Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
konnte man nur hier wohnen? Hogart glaubte bereits, einem üblen Scherz von Ivona Markovic aufgesessen zu sein, als sich am Ende der Häuserzeile tatsächlich ein Pfahlbau aus der Dunkelheit schälte. Kurz davor endete der Gehweg. Wie Ivona es beschrieben hatte, führte ein Holzsteg übers Wasser, der um den Pfahlbau herum verlief. Die Unterkunft aus geteerten Holzbohlen war bestimmt schon fünfzig oder sechzig Jahre alt. Eine Stromleitung war ziemlich plump unter dem Dachvorsprung verlegt. Aus dem Kamin stieg Rauch, hinter den Fenstern brannte Licht. Nie im Leben hätte er sich jemals in diesen Winkel der Stadt verirrt.
Als er auf den knarrenden Steg trat, öffnete sich die Haustür. Ein kräftiger, hochgewachsener Mann mit Kinnbart und kahl rasiertem Schädel trat heraus. Er hatte einen offenen schweren Ledermantel an, darunter ein Rippshirt. Über der Schulter trug er eine Sporttasche. Der Riese war gut zehn Jahre jünger als Hogart. Seine Statur verriet, dass er täglich ein paar Stunden im Fitnessstudio trainierte. Außerdem erkannte Hogart an seinem Blick, dass er auf der Straße aufgewachsen war. Der Hüne umarmte Ivona und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Danach schritt er an Hogart vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Der Mann roch nach Eukalyptus, ein Duft, der gar nicht zu diesem Kerl passte, der mit schweren Lederstiefeln und klappernden Metallsohlen davonstapfte.
Ivona lehnte im Türrahmen. Sie trug eine graue Trainingshose und einen schwarzen Rollkragenpullover. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie reckte die Nase nach draußen. »Im Moment hält das Wetter noch an, aber in den nächsten Tagen kommt der Umschwung. Im Radio sagen sie Regen und Kälte voraus.« Sie lächelte ihn an. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie herfinden.«
»Bin ich zu früh?« Etwas anderes fiel ihm nicht ein. »Unsinn, kommen Sie rein.«
Hogart betrat das Haus. Innen waren die Holzbretter ebenso dunkel, doch ein dicker Teppich und einige Lampen mit breiten Schirmen in Blümchenmuster sorgten für eine warme Atmosphäre. Zudem roch es nach Holz und Tannenzapfen.
»Nichtraucherwohnung?«, fragte er.
»Nichtraucherwohnung.«
Er legte im Vorraum den Mantel ab und räumte wie üblich Zigarettenpackung, Feuerzeug und Autoschlüssel aus den Sakkotaschen auf ein Tischchen. In einem Regal hinter dem Kleiderständer sah er Ivonas Handy, ein Ausweisetui und ein Schulterholster, in der eine Walther PPK steckte. Daneben lag ein Magazin mit sechs Schuss, Kaliber neun Millimeter. Mit dieser Munition hatte er einmal auf dem privaten Schießstand im Felsenkeller südlich von Wien seine Trainingsstunden absolviert. Er ließ sich beim Anblick der Waffe nichts anmerken und ging weiter in die Küche. Der Raum beinhaltete nur einen Hochschrank und eine Herdzeile und wirkte ziemlich eng, da er von zwei mächtigen Deckenbalken durchzogen wurde. Alles schien etwas schummerig. Der Fenstervorhang war zur Hälfte zugezogen, die Arbeitsplatte darunter mit Schüsseln und Schneidbrettern vollgeräumt. In einem Topf kochten Nudeln. Hogart sah das offene Glas Tomatensugo. Es würde Spaghetti geben - eine erfreuliche Abwechslung. Durch den niedrigen Türstock blickte er ins Wohnzimmer, wo in einem Schwedenofen ein offenes Feuer brannte. Das Holz knackte, und nun wusste er, woher der Geruch von Tannenzapfen und dürren Asten rührte.
»Schön haben Sie es hier.« Er stellte die Flasche auf die Küchenablage und setzte die Pandabären auf ein Marmeladenglas. »Mit den besten Grüßen aus Wien.«
»Vielen Dank, ein Chateau la Montanage. Nicht übel.«
Hogart schob einen Vorhangsaum beiseite. Er musterte das gegenüberliegende Bachufer, wo der Torbogen im Schatten der Bäume lag. Von dem Herumtreiber fehlte jede Spur.
»Warum leben Sie ausgerechnet hier?«
»Sie meinen, weil es so abgeschieden ist?« Ivona kramte in einer Schublade nach Besteck. »Ich liebe die Ruhe und die Nähe des Wassers. Sie haben Ondrej gerade kennengelernt. Er besitzt ein richtiges Hausboot im alten Moldauhafen.«
»Sie leben von Ihrem Freund getrennt?«
Ivona schmunzelte. »Ondrej ist mein Bruder.«
Hogart erinnerte sich an den Ratschlag von Vladimir Grecos Schläger. Außerdem hat sie einen Bruder, mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Also halte dich fern.
Während Ivona mit einem Kochlöffel im Topf rührte, nahm er Gläser und Teller aus einer Vitrine.
»Mögen Sie Zwiebel, Knoblauch und Parmesan?«, fragte sie.
»Jede Menge!«
»Ein Mann nach
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