Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
Tag zuvor im Hotel aufgeschnappt hatte. Er war höflich gewesen, und damit war der Fall für ihn erledigt, denn sie legte garantiert keinen Wert auf eine bruchstückhafte Konversation mit einem Mann, der soeben vor ihren Augen vermöbelt worden war.
»Sie brauchen sich nicht bemühen, tschechisch zu reden«, sagte sie in nahezu akzentfreiem Deutsch.
Hogart sah sie überrascht an. »Die ersten netten Worte, die ich heute höre.«
Gemeinsam gingen sie über den Kiesweg.
»Worum ging es bei Ihrem Besuch?«, fragte sie.
»Um Kunst.«
»Um Kunst? Sie sehen nicht gerade wie ein Antiquitätenhändler aus.«
»Es ging um den Brand in der Nationalgalerie. Wissen Sie etwas darüber?«
»Nur, dass dabei einige Ölgemälde zerstört wurden.« Sie lächelte. »Ich habe gesehen, was Dimitri mit Ihnen angestellt hat. Demnach sind Sie nicht gerade diplomatisch vorgegangen.«
»Ich wollte Greco in die Enge treiben, habe es aber vermasselt.«
»Sie sind zum ersten Mal in Prag, nicht wahr?«
»Eigentlich nicht, ich …«
»Greco treibt man nicht in die Enge. Man lässt ihn am besten dort, wo er ist und hofft, dass er nicht wütend wird.«
»Sie scheinen ihn gut zu kennen.«
»Mein Name ist Ivona Markovic.« Sie reichte ihm die Hand. Zögerlich ergriff er sie. »Peter Hogart.«
Ihre Finger fühlten sich angenehm warm an, allerdings hatte sie einen harten Händedruck. Sie war eine attraktive Frau, schlank, mit eleganten Zügen - kein Wunder, dass der blonde Bastard ihm riet, die Finger von ihr zu lassen. Er schätzte sie auf etwa achtunddreißig Jahre. Ihre Augen verrieten, dass sie genau wusste, was sie wollte, aber dass sie auch widerspenstig wie eine bockige Stute sein konnte. Bestimmt hatte sie schon zu viel erlebt und gesehen, als dass sie eine gewöhnliche Geliebte Grecos war, die sich von ihm aushalten ließ. Auch für eine unbedeutende Informantin erschien sie ihm zu selbstsicher. »Wie geht es Ihnen?«, fragte sie.
»Danke, aber machen Sie sich keine Sorgen. Dimitri schlägt zu wie ein Mädchen.«
Ivona Markovic lächelte amüsiert, sagte aber nichts. Bestimmt wusste sie, dass es glatt gelogen war.
»Sie humpeln?«
»Schiefe Hüfte, die hat nichts mit Dimitri zu tun.«
»Was ist mit Ihrer Augenbraue passiert?«
Langsam wurde die Fragerei lästig. »Ich habe mich als Vierjähriger mit dem Feuerzeug meines Vaters verbrannt.«
»Absichtlich?«
»Natürlich, was denken Sie?« Er machte eine Pause. »Nein, ich wollte im Holzschuppen heimlich eine Zigarette rauchen.«
Sie lächelte wieder. Vermutlich glaubte sie an einen erneuten Scherz, doch diesmal entsprach es der Wahrheit. Seit jenem Missgeschick waren die Brauen an dieser Stelle nie nachgewachsen, was befremdend auf die meisten Menschen wirkte, sofern sie es überhaupt bemerkten.
Als sie beim Gartentor an dem Mann mit dem Funkgerät vorbeigingen und die Straße erreichten, sah sich Hogart um. »Ich würde Sie gern ein Stück mit dem Auto mitnehmen, aber ich bin zu Fuß hier. Vielleicht könnte ich Sie mit einem Taxi …?«
»Nein danke, ich laufe. Ich wohne gleich in der Nähe.«
»Woher sprechen Sie so gut deutsch?«, fragte er, nur um irgendetwas zu sagen, bevor sie sich abwandte.
»Aus welchem Wiener Bezirk stammen Sie?«, fragte sie stattdessen. »Simmering, Meidling oder Favoriten?«
Diesmal war es an ihm, zu schmunzeln, da sie die Bezirke mit einem witzigen tschechischen Akzent aussprach. Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen, die er in den letzten Tagen gesehen hatte, wiesen ihre Gesichtszüge nicht den typisch slavischen Einschlag auf, sondern erinnerten eher an eine südländische Filmdiva.
»Ich komme aus Meidling. Hört man das?«
»Allerdings. Warum lachen Sie?«
»Nichts, ich finde Sie bloß nett.« Eine leichte Hitze stieg ihm zu Kopf. Er tat nicht gerade das, was Dimitri ihm geraten hatte. Vielmehr sagte ihm sein Hausverstand, dass er schleunigst von hier verschwinden sollte, bevor er mit einer Kugel im Kopf in der Moldau landete. Den König von Prag des Mordes zu bezichtigen war eine Sache - sein Mädchen anzumachen eine andere.
»Vielen Dank für das Kompliment.« Anschienend war es auch ihr peinlich, da sie für eine Sekunde seinem Blick auswich.
»Also, woher können Sie so gut deutsch?«, hakte er nach.
»Mein ehemaliger Chef lebte in Wien. Ich habe als Dolmetscherin Verträge übersetzt. Ihre Aussprache erinnert mich an ihn.« Sie machte eine Pause. »Haben Sie heute Abend etwas vor? Darf ich Sie zum Essen
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