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Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Titel: Peter Hogart 1 - Schwarze Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Paradoxerweise kennen die Touristen die Geschichte vom Golem besser als die Prager … uns Einheimischen fällt der ganze Rummel schon gar nicht mehr auf.« Mit einem bedeutungsvollen Blick lenkte Ivona Hogarts Aufmerksamkeit auf den Boden unter ihren Füßen.
    Bereits beim Eintreten hatte Hogart das Schachbrettmuster aus schwarzen und weißen Fliesen bemerkt, das den gesamten Vorraum ausfüllte. »Wie passend.« Er deutete auf eine Nische. »Sehen Sie das Schachspiel dort?«
    Sie traten zu dem gusseisernen Tisch hin, auf dem ein Schachbrett mit schweren Tonfiguren stand. Einige Bauern, ein Läufer und zwei Springer lagen außerhalb des Bretts. Hogart prägte sich die Figurenaufstellung ein. Da sich die schwarze Dame aber noch im Spiel befand, handelte es sich nicht um jene Aufstellung, nach der sie suchten.
    »Handgeformte Figuren aus gebranntem Lehm. Ich vermute …« Als im Nebenzimmer der Parkettboden knarrte, stellte Ivona die Figur weder aufs Brett.
    Dr. Zajic kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Hogart kannte den Mann im teuren Anzug mit der Paisleykrawatte, der Hornbrille und dem pomadisierten schwarzen Seitenscheitel von Ivonas Ausdruck der Videoaufnahme. So stellte sich Hogart einen typischen Gentleman vom Schlage eines Kommerzialrats Rast vor.
    Zuerst reichte Zajic Ivona mit einer leichten Verbeugung die Hand, danach Hogart. Sein Händedruck war kräftig. Aufrecht und steif stand er ihnen mit erwartungsvollem Blick gegenüber. Der Mann war bestimmt Anfang fünfzig, sah dabei jedoch blendend aus. Allerdings war seine Rasierwasserwolke mehr als penetrant, und Hogart glaubte, den Grund dafür zu kennen. Das Parfüm sollte den Alkoholgeruch überdecken. Cognac, vermutete Hogart.
    Ivona stellte ihn auf Deutsch als Wiener Versicherungsdetektiv vor, der im Fall der verbrannten Ölgemälde ermittelte.
    »Oktavian, nicht wahr? Ein trauriges Kapitel, und das ausgerechnet in Prag.« In der Aussprache des Tschechen klang ein harter norddeutscher Akzent mit, der merkwürdig anmutete. Offenbar färbte die Arbeit in der Botschaft auf ihn ab.
    »Sie kommen aus Wien …« Zajic nahm die Brille ab und kaute am Bügel. »Waren die Exponate dort versichert?«
    »Zum Teil.«
    »Übrigens stammen die Gemälde der beiden Seitenaltäre in der St.-Niklas-Kirche ebenfalls von Oktavian«, erklärte Zajic. »Die Kirche liegt nur wenige Schritte von hier entfernt. Sie können Sie gern besichtigen. Außerdem findet heute Abend ein klassisches Orgelkonzert im Gewölbekeller statt. Das Untergeschoss reicht über vierzehn Meter in die Tiefe - absolut sehenswert!«
    »In einer Kirche bekomme ich Rückenschmerzen«, antwortete Hogart.
    »Wie schade, denn in den Katakomben befinden sich einige Grabmäler, unter anderem wurde dort auch Oktavian beigesetzt.« Zajic nahm den Brillenbügel aus dem Mund. »Sind Sie deswegen hier? Kann ich Ihnen in dieser Angelegenheit helfen?«
    Ivona trat einen Schritt vor. »Wir sind wegen Ihrer Frau hier.«
    Schlagartig verlor Zajic seine steife Haltung. Er sackte förmlich in sich zusammen. »Ich verstehe.« Er setzte seine Brille wieder auf und ließ die frei gewordene Hand in der Hosentasche verschwinden. Mit der anderen wies er auf eine der Türen. »Bitte folgen Sie mir in den Salon.«
    Er ging voraus und führte sie in einen hohen Raum mit geblümten Bordüren unterhalb der Zimmerdecke. Die Ränder der ausgetrockneten Wasserflecken im Verputz der Ecken ließen das Alter des Gebäudes erahnen. Die Saloneinrichtung mutete wie ein Sammelsurium verschiedenster Antiquitäten an, von schmiedeeisernen Tischen über filigrane Holzkommoden mit verschnörkelten Schnitzereien bis hin zu einem langen Sofa sowie einigen Vitrinen, die Zajic wohl als Heimbar dienten. In der Luft lag das feine Knistern eines Saphirs, der eine Tonrille abspielte. Sekunden später erklang das bedrohliche Dröhnen eines Orchesters. Hogart kannte sich mit klassischer Musik nicht besonders gut aus, aber Hieronymus Vesely hätte das Stück sicher zu schätzen gewusst. Anscheinend war man in diesem Hause eher den schwermütigen Werken Wagners oder Beethovens zugetan als den beschwingten Klängen Mozarts.
    Der Parkettboden knarrte unter Hogarts Schritten, bis sie mitten im Salon zum Stehen kamen. Ihm fiel der junge Mann auf, der zusammengekauert auf dem Sofa saß und mit seinen feingliedrigen Fingern zum Takt dirigierte.
    »Mein Sohn Micha«, stellte Zajic den dünnen Mann mit den eingefallenen Wangen und dem blassen Teint vor. »Micha,

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