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Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Titel: Peter Hogart 1 - Schwarze Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Kinderpsychiatrie führte. Fünf Jahre später gelang es seinem Vater, ihn aus der Anstalt zu sich ins Elternhaus zu holen, wo er seither unter der häuslichen Pflege der Mutter und einer Haushälterin lebte.
    »Dieser Bastard hat seinen Sohn wieder zu sich nach Hause geholt!« Ivona starrte mit angewidertem Gesicht auf die Kopien der Karteiblätter. »Und dieses Schwein hat mich engagiert, ihm zu helfen!«
    Hogart dachte an Micha, den schweigsamen Jungen mit den smaragdgrünen Augen, den femininen Bewegungen und dem Klumpfuß. Er sah den schwächlichen jungen Mann im Geiste vor sich, wie er sich Gesicht und Hände zerkratzte, büschelweise Haare ausriss und im Alter von zwölf Jahren versuchte, sich auf der Toilette mit einem Bleistift umzubringen. Welche Qualen musste der Junge in seiner Kindheit ausgestanden haben? Welche Todesangst musste ihn ständig begleitet haben? Hogart konnte sich nicht einmal annähernd in die seelische Verfassung des Jungen hineinversetzen. Abgesehen von der Scheidung seiner Eltern war Hogart in einem nach außen hin intakten familiären Umfeld aufgewachsen. Doch für Micha war anscheinend nie jemand zur Stelle gewesen, der ihm irgendwann einmal geholfen hätte. Unwillkürlich erinnerte sich Hogart an die Schallplattenmelodie, die Zajic bei ihrem Besuch so brutal abgewürgt hatte. Ihm fielen die Worte des Sozialreferenten ein. Micha ist krank. Ein Gefühl von Mitleid überwältigte ihn, dann packte ihn plötzlich maßloser Hass auf den Botschaftsangestellten, der nicht nur eine Kinderseele zerstört, sondern die Wunden immer wieder aufgerissen hatte, sodass sie nie auch nur ansatzweise verheilen konnten. Jahrelanger Missbrauch, eine gesamte Kindheit hindurch, und noch dazu durch den eigenen Vater! Es war unvorstellbar! Und Dr. Zajic, dieser Mistkerl, glaubte, mit Geld alles hinbiegen zu können.
    Erst jetzt bemerkte er, dass Ivona auf die Fotos starrte und den Türgriff immer fester umklammerte, bis ihre Hand zu zittern begann und sie die Finger wieder löste.
    »Ein schöne Scheiße, die wir da aufwühlen.« Er sammelte die Fotos ein.
    »Solchen Schweinen müsste man den Schwanz abschneiden«, presste sie mit tonloser Stimme hervor.
    Hogart starrte sie an. Ihre Reaktion erweckte den Eindruck, als wäre sie schon häufiger mit Fällen dieser Art konfrontiert worden.
    Sie schloss die Augen und atmete tief durch. »Entspann dich«, ermahnte sie sich selbst. Als sie sich gefangen hatte, reichte sie ihm die Kopien der Protokolle. Bei der flüchtigen Berührung fühlte er die Kälte ihrer Hände.
    »Können wir davon ausgehen, dass diese Unterlagen nicht gefälscht wurden?«, fragte er.
    »Greco ist genauso wie wir daran interessiert, den Mörder der Frauen zu fassen«, antwortete sie ohne zu zögern. »Er würde uns keine erfundenen Anschuldigungen unterjubeln.«
    Hogart dachte an die Waffen im Kofferraum. »Wir müssen sichergehen, bevor wir überstürzt handeln. Zajic erwähnte einen zweiten Sohn - diesen missratenen Jungen. Wir sollten Roman Zajic, Michas Bruder, besuchen.«
     
    Wie jede Privatdetektivin, so verfügte auch Ivona über ihre Quellen. Während sie eine Anzahl von Telefonaten führte, ging Hogart unzählige Runden um das Auto und rauchte dabei eine Zigarette nach der anderen. Gerade als er seine vierte Kippe auf dem Asphalt zertrat und sich fragte, warum die Gespräche so lange dauerten, kurbelte Ivona aufgeregt die Fensterscheibe hinunter. Sie hatte mit der Frau eines ehemaligen Schulfreundes gesprochen, die auf dem Finanzamt arbeitete und rund um die Uhr Zugang zum Online-Datenarchiv besaß. Nach einer längeren Suche hatte sie endlich Romans Adresse und Telefonnummer erhalten. Er hieß mit Nachnamen gar nicht Zajic, sondern Kosice, da er den Namen seiner Frau angenommen hatte. Der mittlerweile siebenunddreißigjährige Mann wohnte mit seiner Familie in Prag, war aber an diesem Abend nicht zu Hause. Während im Hintergrund Kinder schrien, hatte seine Frau am Telefon erklärt, dass er in der Ziegelfabrik arbeitete und seine Schicht erst nach Mitternacht enden würde.
    Kaum hatte Ivona ihren Bericht beendet, da saß Hogart bereits hinter dem Lenkrad, startete den Wagen und ließ sich von ihr den Weg zum Ziegelwerk beschreiben.
    Die Ziegelböhm, wie die Fabrik im Volksmund genannt wurde, lag ziemlich entlegen im östlichen Teil von Prag, wo einst der Lehm für die Ziegelerzeugung gewonnen wurde. Entlang von Unkraut überwucherten Eisenbahngleisen, die früher einmal dem

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