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Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Titel: Peter Hogart 1 - Schwarze Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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gewöhnlicher Aufenfhaltsraum mit Holzbänken an einem langen Tisch, Blechschränken, die den Arbeitern wohl als Spind dienten, und einem Kaffeeautomaten. Volle Aschenbecher, aus denen teilweise noch der Zigarettenqualm aufstieg, stapelten sich im Handwaschbecken. In einem offenen Spind stand eine leere Bierkiste, an der Innenseite hing ein vergilbter Pin-up-Kalender.
    Während Hogart drei Kaffeebecher aus dem Automaten drückte, setzten sich Roman und Ivona an den Tisch. Der Tscheche zündete sich eine Zigarette an. »Haben Sie meinen Bruder gesehen?«
    Ivona nickte.
    »Erzählen Sie! Wie geht es ihm? Ist er immer noch so blass und dünn?«
    »Wir haben das Haus Ihres Vaters besucht. Micha saß im Salon auf einer Couch und hörte klassische Musik, mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
    Roman nickte. »Bestimmt wieder so eine verstaubte Platte. Micha liebt diese alten … eh …« Roman schnippte mit den Fingern.
    »Kamellen.« Hogart setzte sich zu den beiden an den Tisch und verteilte die dampfenden Becher. »Genau, danke.«
    Roman war aus völlig anderem Holz geschnitzt als sein jüngerer Bruder. Hogart wäre nie auf die Idee gekommen, dass die beiden Männer Geschwister sein könnten. Außer den Eltern hatten sie nichts gemeinsam.
    »Wir recherchieren einige … Vorfälle, zu denen es in Ihrer Familie gekommen sein soll.« Ivona zögerte, ihre Stimme wurde leiser. »Anscheinend gibt es Gerüchte, dass Micha von Ihrem Vater missbraucht wurde.« Hastig fügte sie hinzu: »Noch wissen wir nicht, ob das etwas mit den Mordfällen zu tun haben könnte, aber …«
    »Das sind keine Gerüchte!«, unterbrach Roman sie. Er starrte dem Zigarettenqualm hinterher. Mit abwesendem Blick sprach er weiter. »Der Alte hat es jahrelang getan, immer und immer wieder. Was damals passierte, verfolgt mich nach all den Jahren noch immer. Ich sehe das Schwein vor mir, wie er Micha an der Hand in sein Arbeitszimmer führt. Dann blieb die Tür für etwa eine Stunde versperrt. Manchmal hörte ich Micha, manchmal blieb er stumm, und manchmal hörte ich nur den Alten - das war am Schlimmsten.«
    »Wie oft kam das vor?«
    »An jedem ersten Montag im Monat. Das war der freie Tag des Alten, an dem es im Büro weder Amts- noch Sprechstunden gab. Wir hatten panische Angst vor diesem Tag. Er war die ganze Zeit zu Hause … und irgendwann passierte es dann, manchmal vor dem Mittagessen, manchmal am Nachmittag. Er sperrte sich mit Micha ein. Zunächst spielten sie ein Spiel. Falls Micha verlor, setzte es eine Tracht Prügel und danach ging es ordentlich zur Sache. Der Alte nannte es zulova struktura …« Roman murmelte einen längeren Satz auf Tschechisch.
    »Der Heuhuse Disziplin eintrichtern«, übersetzte Ivona knapp.
    »Ja. Der Bengel müsse lernen, mit Anstand verlieren zu können.«
    »Warum haben Sie nichts dagegen unternommen?«
    Ivonas Frage riss Roman aus den Gedanken. Er sah sie direkt an. »Nichts dagegen unternommen?«, wiederholte er. »Als es begann, war ich acht, höchstens neun. Bis ich begriff, dass etwas Abnormales in Vaters Arbeitszimmer vor sich ging, war Micha bereits zu verschlossen. Er ließ niemanden mehr an sich heran. Als Kind hatte er damals schon Dinge erlebt, von denen ich erst Jahre später erfuhr, dass es sie überhaupt gibt…«
    »Wie ging es weiter?«
    Roman blickte von Ivona zu Hogart, dann drückte er die Zigarette auf der Tischplatte aus. »Micha kam fünf Jahre in ein Heim für verhaltensgestörte Kinder. Kinderpsychiatrie! Doch dort glaubte kein Mensch, was die Kinder zu erzählen hatten. Das meiste wurde als Wahnvorstellung abgetan. Vielleicht ist es heute anders, aber damals waren wir machtlos.« Er ließ den Deckel des Feuerzeugs auf- und zuschnappen, dann fixierte er Ivona. »Versuchen Sie mal, etwas gegen dieses Schwein zu unternehmen, wenn Ihnen keiner hilft. Der Alte war damals Rechtsreferendar an der deutschen Botschaft. Er betreute deutsche Untersuchungsund Strafgefangene. Heute ist er als Leiter des Sozialreferats direkt dem deutschen Botschafter unterstellt. Diesem Mann kann man nichts anhaben.«
    »Hätten Sie sich nicht Ihrer Mutter anvertrauen können?«, fragte Hogart.
    »Machen Sie Witze? Meine Mutter wusste davon. Sie hat den Alten all die Jahre gedeckt. Die feine Dame hat nie etwas dagegen unternommen, nur ständig weggesehen - ja, das konnte sie gut. Sie gab ihm ein Alibi, sobald ich eine Anzeige gegen ihn anstrebte. Sie drohte mir sogar, mich aus dem Haus zu werfen, würde ich auch nur ein

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