Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
war das Gespräch für Greco beendet. Er nahm Ivona am Arm, führte sie einige Meter zur Seite und sprach eindringlich auf sie ein.
Hogart hörte nur tschechisches Geraune. Offenbar ging es um ihn, denn Ivona warf ihm einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zu, sah aber rasch wieder weg. Er verstand nur einen einzigen Namen, der ihm allerdings einen Schauder über den Rücken jagte: Jasmine Salzmann.
Scheiße! Hastig steckte er sich eine Zigarette an. Mittlerweile schien in Prag jeder bestens über ihn Bescheid zu wissen, und es war verdammt noch mal nicht gut, wenn nun auch Greco diese alte Geschichte aufwärmte. Er selbst hatte genug damit zu tun, sich von der Vergangenheit nicht fertigmachen zu lassen.
Hogart schnippte eben die Asche von seiner Zigarette, als die beiden wieder zu ihm kamen.
»Ivona, wartet hier. Zum Abschied werdet ihr noch etwas bekommen. Dobry den.« Greco nahm seine Tochter an der Hand, wandte sich ab und ging mit ihr die Straße hinunter.
Hogart und Ivona sahen ihm hinterher, bis er in einer Seitengasse verschwand.
»Wir sollen etwas bekommen? Wovon zum Teufel hat er gesprochen?«
Doch Ivona schien es ebenso wenig zu wissen. Ihre Blicke kreuzten sich für einen Moment. Da merkte Hogart, dass ihr etwas völlig anderes durch den Kopf ging. Sie wusste über Jasmine Salzmann, den Jungen und die Fahrerflucht Bescheid. Ivona betrachtete ihn ernst und zugleich eine Spur misstrauisch. Nein, Misstrauen war es nicht. Viel eher musterte sie ihn mit einer gewissen Enttäuschung, als wüsste sie nicht, ob er wirklich der war, für den sie ihn gehalten hatte.
Beinahe hätte Hogart ihre Hände ergriffen. Sie konnte ihm trauen! Der Fall Salzmann war ein Unfall gewesen - ein blöder Zufall, der sich nie wiederholen würde!
Während sie unentschlossen im Lichtkegel der Straßenlaterne standen, bemerkte Hogart, wie ein kleiner drahtiger Mann aus der Dunkelheit einer Häusernische auf sie zutrat. Dimitri, Grecos Schläger! Der blonde Dandy mit dem Halstuch im Hemdausschnitt war die ganze Zeit über da gewesen und er hatte ihn nicht einmal bemerkt. Nun kam er auf sie zu, mit einem in braunes Packpapier eingewickelten Paket unter dem Arm, das er Ivona reichte.
»Pass auf dich auf.« Mehr sagte er nicht, ehe er in der Menschenmenge verschwand, die soeben aus dem Kaffeehaus strömte, um sich das Glockenspiel zur vollen Stunde anzusehen. Die Rathausuhr begann Sechs zu schlagen.
»Was immer sich darin befindet, wir sollten es nicht hier öffnen«, rief Hogart.
Trotzdem löste Ivona das Packpapier, um hineinzuspähen. Hogart sah das Glänzen zweier identischer chromfarbener Gegenstände mit schwarzen Griffen.
Er trat näher. »Ist es das, wofür ich es halte?«
Ivona wickelte das Papier weiter auf, um es dann umso rascher wieder zu schließen.
»Ich schätze, eine Glock 17 für Sie, und eine für mich.«
Sie verschwanden rasch aus der Fußgängerzone und setzten sich in Hogarts Wagen, der in einer Seitengasse parkte. Die beiden Pistolen mit neuen Griffschalen und weggeschliffener Registriernummer lagen mit je einem Holster und einem Magazin im Kofferraum.
Die Innenbeleuchtung des Wagens fiel auf den Packen Dokumente, den Ivona aus dem Kuvert zog. Neben Unfallprotokollen, ärztlichen Befunden, einigen Privatrechnungen für medizinische Leistungen, Fotos und Karteiblättern aus dem Krankenhaus fanden sie auch das Gutachten einer psychiatrischen Anstalt.
Hogart konnte es nicht fassen. Um das alles über einen so langen Zeitraum unter der Decke zu halten, waren bestimmt eine ganze Handvoll Leute jahrelang geschmiert worden - und zwar großzügig.
Je mehr er las, desto größer wurde die Kälte in seinem Magen. Den Unterlagen zufolge war Micha am 31. Januar 1973 in Kladno geboren worden. Die Zajics lebten eine Zeit lang in Berlin und übersiedelten später nach Prag. Der erste Fall von Missbrauch geschah bereits 1978, als Micha erst fünf Jahre alt war. Wie oft sich die Vergewaltigung anschließend wiederholte, ließ sich aufgrund der Unterlagen nur erahnen, jedenfalls wurde der Junge bis zu seinem zwölften Lebensjahr mehrmals mit schweren inneren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Danach kam Micha wegen Kopfschmerzen, Bettnässen, Essstörungen, zeitweiliger Amnesie und mangelhafter schulischer Leistungen in psychotherapeutische Behandlung. Er stotterte, wurde unansprechbar, zunehmend depressiv und verstümmelte sich schließlich mit einem Bleistift selbst, was zu seiner Einweisung in die
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