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Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Peter Hogart 1 - Schwarze Dame

Titel: Peter Hogart 1 - Schwarze Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Werksverkehr gedient hatten, gelangten sie zu dem Fabrikgelände. Zwischen einem künstlich angelegten Löschteich und einer Reihe von Blechbaracken befand sich der Firmenparkplatz. Angesichts der schäbigen Rosüauben, die hier standen, ließ sich an zwei Fingern abzählen, wie miserabel die Schichtarbeiter in der Ziegelböhm verdienten.
    Die Fabrik lag hinter einem Zaun. In der leeren Portierloge brannte zwar Licht, aber der Diensthabende stand einige Meter entfernt vor einer Heckenreihe und kehrte ihnen den Rücken zu. Während er in die Büsche pinkelte, schlüpften Hogart und Ivona unter dem Schlagbaum durch. Je näher sie der Halle kamen, desto schlimmer roch es nach gebranntem Lehm. Eine intensive Hitze schlug ihnen entgegen, so als glühte die gesamte Fabrik wie ein Hochofen. Das bestimmt schon über hundert Jahre alte Gebäude aus roten Backsteinen mit den vergitterten Fenstern erinnerte Hogart an eine Haftanstalt aus den Tagen der Monarchie. Drei Schlote spieen schwarzen Rauch, der sich vor den Wolken verlor. In großen zum Teil abgeblätterten Ziffern prangte die Jahreszahl 1894 über dem Eingangstor. Durch das Wellblech drangen das Hämmern von Maschinen und das Rasseln von Förderbändern. Soeben läutete das Röhren einer Hupe zur Pause - um Punkt neun Uhr abends.
    Als Ivona und Hogart die Fabrik betraten, stieg der Lärmpegel auf das Dreifache. Auch war es hier drinnen deutlich heißer als vor dem Tor. Eine rote Staubschicht auf dem Boden verband sich mit dem Regenwasser, das durch eine undichte Stelle im Dach tropfte, zu einem zähen Schlick. Ivona weigerte sich weiterzugehen. Aus einem Seitentrakt kam ihnen ein Arbeiter im grauen Overall entgegen, der ein Wägelchen mit Ersatzteilen vor sich herschob. Als Ivona ihn um ein kurzes Gespräch mit Roman Kosice bat, musterte der Mann sie skeptisch. Schließlich ließ er seinen Handwagen wortlos stehen und verschwand zwischen einigen ausrangierten Gabelstaplern.
    Während sie hofften, dass der Mann mit Roman wiederkehrte, sah Hogart sich um. Es war beängstigend, in welchem Loch Michas Bruder schuften musste, um seine Familie zu ernähren, während Micha die Tage in seinem Elternhaus am Altstädter Ring verbrachte.
    Der Arbeiter tauchte wieder auf und fuhr ohne Kommentar mit seinem Handwagen davon. Etwa fünf Minuten später kam ihnen ein großer Mann mit dichten schwarzen Locken entgegen, der eine dreckige Latzhose und derbe, mit Stahlkappen verstärkte Arbeitsschuhe trug. Er zog sich die Handschuhe aus und wischte sich mit dem Hemdsärmel über die schweißnasse Stirn, wo ein dunkelroter Streifen zurückblieb. Hogart erkannte Michas Bruder von dem Foto, das Dr. Zajic ihnen gezeigt hatte. Roman besaß immer noch seine unverwechselbaren kantigen Gesichtszüge und den ernsten verständigen Blick, den er schon als Jugendlicher gehabt hatte. Hogart fragte sich, wie er reagieren würde, wenn Ivona die schweren Anschuldigungen gegen seine Familie zur Sprache brachte. Er traute dem Mann zu, dass er sie beide hochkant aus der Fabrik warf.
    Ivona reichte Roman Kosice die Hand, sprach zu ihm auf Tschechisch und erwähnte dabei das Telefonat mit seiner Frau. Sie stellte Hogart als Wiener Versicherungsdetektiv vor, worauf Roman die Augenbrauen hob. Prompt sagte er auf Deutsch: »In diesem Werk arbeiten hundertzwanzig Männer im Schichtbetrieb. Meine Zeit ist knapp, ich muss zum Ofen. Was wollen Sie?«
    Hogart sah den Mann verwundert an. »Sie sprechen deutsch?«
    »Was bleibt einem anders übrig, wenn man der Sohn von Dr. Zajic ist?« Roman spie den Namen seines Vaters förmlich aus. »Ob man will oder nicht, man wächst zweisprachig auf.« Roman stopfte die Handschuhe in die Hosentasche. »Sind Sie wegen meines Alten hier?«
    »Wir untersuchen die Mordserie, die seit Februar anhält.«
    »Der Samttuchmörder, ich weiß. Sind Sie von der Polizei?«
    »Ich bin Privatdetektivin«, antwortete Ivona. »Ihr Vater hat mich engagiert, um in den Mordfällen zu ermitteln. Der Tod Ihrer Mutter tut uns leid, wir …«
    »Der braucht Ihnen nicht leidzutun. Jeder bekommt das, was er verdient.« Roman strich sich übers Kinn. »Hat Sie mein Vater zu mir geschickt?«
    »Nein.«
    »Weiß er, dass Sie hier sind?«
    »Nein«, sagte Ivona abermals. »Aber wir möchten mit Ihnen über ihn sprechen.«
    Roman warf einen Blick auf die Werksuhr. Sie zeigte zehn Minuten nach neun. »Kommen Sie, wir gehen in die Kantine. Dort können wir ungestört reden.«
    Die sogenannte Kantine war ein

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