Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
sich verabredet hatten. Sie gab vor, ein Buch in Antonins Wohnung vergessen zu haben, das ihr Sohn dringend für die Berufsschule brauchte.
Hogart hörte, wie die Hausbesorgerin mit einem Schlüsselbund klimperte und die Wohnung mit dem Zentralschlüssel öffnete. Anschließend verschwanden die beiden Frauen in der Wohnung.
»Das läuft gar nicht gut«, murrte Ondrej.
»Sie schafft das.«
»Was soll sie in diesen paar Minuten schon rausfinden? Die Kripo hat die Wohnung bereits durchsucht.«
»Sie ist Privatdetektivin«, flüsterte Hogart. »Ihr wird schon was einfallen.«
Kurz darauf verließen die beiden Frauen die Wohnung. Hinter ihnen fiel die Tür ins Schloss. Ivona hielt tatsächlich ein Buch in den Händen. Während sie mit der Hausbesorgerin Bemerkungen über das miserable Wetter austauschte, gingen sie ins Erdgeschoss hinab. Hogart hörte eine Tür zuschlagen, vermutlich hatte Ivonas Begleiterin sich wieder in ihre vier Wände zurückgezogen. Wenig später kam Ivona leise die Treppe herauf. Hogart und Ondrej erwarteten sie vor Lomegs Wohnungstür.
»Haben Sie etwas herausgefunden?«, fragte Hogart.
»Nein«, gestand sie. »Ich hatte genug zu tun, um ein passendes Buch zu finden. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schmutzig es in dieser Bude aussieht. Wenn man sich in diesem Verschlag irgendwo aufschürft, holt man sich garantiert eine Blutvergiftung.«
»Nichts, was Ihnen irgendwie verdächtig erschien?«
»Nein! Aber …« Ivona zog einen Schlüssel aus ihrem Parka, den sie triumphierend vor Hogarts Gesicht baumeln ließ. »Ich habe Lomegs Ersatzschlüssel von der Ablage geklaut.«
»Kluges Kind! Hab ich es nicht gesagt?« Ondrej boxte Hogart spielerisch in die Seite.
Indessen sperrte Ivona die Wohnung auf. Sie schlüpften hinein und schlossen lautlos die Tür hinter sich.
Hogart knipste das Licht an. Der Schein einer nackten Glühlampe erhellte den Vorraum. Auf dem staubigen Parkettboden lagen Schuhe herum, am Kleiderständer hingen verschiedene Mäntel. Die Heizkörper schienen außer Betrieb zu sein, denn vor Hogarts Gesicht stieg kondensierter Atem auf. Er hob den Hörer des Wandtelefons ab und wollte bereits die Wiederwahltaste betätigen, doch aus der Muschel drang kein Freizeichen. »Die Leitung ist tot, sicherlich hat er die Telefonrechnung nicht bezahlt.«
»Ebenso wenig wie die Gasrechnung.« Ivona rieb sich die Handflächen.
Neben Hogart führte eine Tür in einen Raum, der als Wohn- und Schlafzimmer diente. Die zugezogenen Vorhänge dämpften das Stampfen des Presslufthammers, das von der Straße durch das Fenster hereindrang. Die Luft war abgestanden und roch nach kaltem Zigarettenrauch. Auf einem niedrigen Tisch standen zahlreiche überquellende Aschenbecher. Den Boden bedeckten leere Chipstüten, die einen ranzigen Geruch verströmten. Den meisten Raum nahm ein ausgeklapptes Schrankbett ein. Mit Kaffeeflecken bekleckerte Laken bildeten einen schmuddeligen Haufen auf den Dielen.
Ivona stellte das Buch an seinen Regalplatz zurück. »Beeilen wir uns. Möglich, dass Lomeg jeden Moment kommt.«
Ondrej öffnete die Schränke. »Hier war schon seit Wochen niemand mehr. Wonach suchen wir eigentlich?«
Hogart durchwühlte eine Schublade mit Wäschestücken. »Nach Zeitungsberichten über die Mordserie, Fotos von den Opfern, einem Skalpell, Schachmaterialien, einen Stadtplan von Prag mit den eingezeichneten Leichen-Fundorten … oder irgendetwas, das auf Micha Zajic hindeutet. Wenn wir beweisen könnten, dass sich die beiden …«
»Sonst noch was?« Ondrej wühlte sich durch einen Stapel muffiger Wäsche.
Hogart gab keine Antwort. Er wandte sich dem Wandregal zu, das mit Büchern gefüllt war, hauptsächlich zerfledderten Taschenbuchausgaben von Dostojewski, Voltaire oder Sartre, die Lomeg vermutlich in Tauschbörsen gekauft hatte. Im Fach darunter standen Dutzende Videokassetten. Hogart betrachtete die mit einer dicken Staubschicht bedeckten Hüllen. Hauptsächlich Erotikvideos und Spielfilme, die in seltsamem Kontrast zu Lomegs Literaturgeschmack standen. Auf den meisten Hüllen klebte noch das Videothekenlabel - entweder waren die Filme billig gekauft, gestohlen oder nie zurückgegeben worden. Immerhin hatte einer der Streifen etwas mit Schach zu tun: Knight Moves stand auf der Hülle mit dem Schachmotiv. Sonst fand sich keine Spur, die darauf hinwies, dass hier der zweite Killer hauste.
Ivona klopfte sogar den Holzboden nach einem losen Parkettstück ab und blickte hinter
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