Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
Frau zu enthaupten, um den Kopf verschwinden zu lassen.«
»Demnach handelte es sich bei der Verstümmelung bloß um die Beseitigung eines Beweismittels«, sinnierte Ivona.
»Schauen Sie sich diese Bilder an. Interessant, dass Lomeg auch Fotos von Michas anderen Opfern besitzt.«
Ivona betrachtete die Wand mit angewidertem Gesicht. »Die beiden arbeiten wohl enger zusammen, als wir vermuteten.« Mit einem Stift aus ihrem Parka schob sie die Gegenstände auf einem niedrigen Holztisch auseinander. »Chloroformdosen, damit wurden die Opfer betäubt.«
Unter den Dosen kam ein in Leder gebundenes Buch zum Vorschein. Ivona hob den Deckel mit dem Kugelschreiber an. Hogarts Blick fiel auf dicht gekritzelte Notizen in einer unleserlichen Handschrift.
Sie blätterte durch die Seiten. »Offenbar ein Tagebuch. Lomeg führt peinlich genaue Aufzeichnungen.«
»Aber nicht an jedem Tag - sehen Sie mal.« Hogart deutete auf ein Datum. Zwischen dem fünften und achten März fehlten die Eintragungen.
Ivona blätterte weiter. Immer wieder stieß sie auf Zeitlücken, ohne dass sich dahinter ein Muster erkennen ließ. Die letzte Eintragung stammte von Dienstag dieser Woche, jenem Tag, an dem Lomeg sie bei ihrem Besuch auf der Burg beobachtet hatte. Ein kalter Schauder überrieselte Hogart. Demnach war Lomeg vor Kurzem noch hier gewesen, um diese Eintragung zu machen.
Hogart deutete auf den Tisch. »Werfen wir einen Blick in die Schublade.«
Darauf bedacht, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, steckte Ivona den Kugelschreiber in den kleinen Metallring und zog die Schublade auf. Hogart nahm Ondrejs Eukalyptusgeruch wahr, als sich der Riese nach vorne beugte und ihnen über die Schulter sah.
In dem Holzfach lag ein Personalausweis. Ivona klappte ihn mit der Kugelschreiberspitze auf. »Lomegs Pass. Eine Fälschung, nicht einmal besonders gut«, stellte sie fest. »Demnach wurde Lomeg in Kladno geboren.«
»Genauso wie Micha.« Hogart stocherte in der Lade herum, schob einige Papiere zur Seite und fand einen Prager Stadtplan, auf dem - ähnlich wie auf seinem eigenen Plan - ein Schachbrettmuster eingezeichnet war. Damit hatten sie Lomeg endgültig an den Eiern. Daneben befand sich ein Blatt Papier mit handschriftlich festgehaltenen Spielzügen.
»Ich wird verrückt!«, murmelte Ivona. »Roesch gegen Schlage, Hamburg 1910.«
Über jeder geschlagenen Figur stand der Name des zugehörigen Opfers. Es waren beliebige Menschen, willkürlich ausgewählt. Der schwarzen Dame war der Name Alexandra Sendlings zugeordnet. Den Abschluss der Liste bildete der weiße Läufer. Darüber stand, mit Bleistift hastig hingeworfen, der Name Hieronymus Veselys. Hogarts Mund trocknete aus. Es wurde immer unheimlicher. Demnach musste Lomeg erst vor Kurzem, innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden, hier gewesen sein.
»Wir sollten verschwinden«, erklang Ivonas Stimme. Sie hatte einen rauen Ton angenommen; anscheinend dachte Ivona das Gleiche wie er.
»Moment noch.« Hogart wendete das Blatt, auf dessen Rückseite sich die Zeichnung einer mit wenigen Strichen stilisierten Königskrone befand. Obwohl kraftvoll durchgestrichen, ließ sich der darunterstehende Name noch lesen.
»Jaroslav Zajic!«, entfuhr es Hogart. »Er ist das letzte Ziel.«
»Jetzt ergibt alles einen Sinn«, murmelte Ivona. »Nachdem die letzte Figur geschlagen wurde, ist der König schachmatt und der Vater endgültig besiegt.«
»Vermutlich soll nicht nur Vesely heute Nacht sterben. Wir brauchen dringend Polizeischutz für Jaroslav Zajic«, sagte Hogart.
»Für Zajic, dieses Schwein?«, presste Ivona hervor. »Stattdessen sollten wir herausfinden, wo Hieronymus gefangen gehalten wird.«
Sie durchsuchten jeden Winkel des Raums, fanden jedoch keinen Hinweis, wohin Lomeg seine Opfer brachte.
In diesem Augenblick verursachte der Dielenboden hinter ihnen ein verräterisches Knarren. Ondrej fuhr als Erster herum.
Vor ihnen stand die Frau in der Küchenschürze mit den Lockenwicklern. Aus großen Augen starrte die Hausbesorgerin sie an. Ihr Blick blieb vor allem an Ondrej haften. Kurz darauf begann sie, herumzuschreien und damit zu drohen, die Polizei zu alarmieren.
»Keine Sorge, das tun wir selbst«, beschwichtigte Ivona sie. Im nächsten Moment griff sie zum Handy und wählte Novaceks Nummer, doch dort war besetzt, worauf sie Svatek anrief.
»Antonin Lomeg ist der zweite Killer«, sagte sie auf Tschechisch. Sie lauschte kurz, dann erklärte sie: »Wir sind in seiner Wohnung.
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