Peter Leingartners Kuechenwelt
großangelegten, weitverzweigten System abgewickelt. Die Sieger der einzelnen Bundes-staaten, aus zahlreichen Regional-, Districts-und endlich Semifinal-Ausscheidungen hervorgegangen, werden dann zum großen nationalen Schlussbewerb entsandt. An die hundert Spitzen-Kollegen – sowohl Köche als auch Patis-siers – waren daher nun in Boston zusammengekommen, ihre Kräfte zu messen. Die Auswahl-Jury war international besetzt; das ist bei diesen Bewerben so üblich, um jede eventuell lokale Bevorzugung irgendeines Team-Anwärters von vornherein auszuschließen. Nur die wirklich Besten sollten die “Stars and Stripes” vor den Augen der Welt vertreten dürfen.
Da jedes Jurymitglied zu zweit anreisen darf, meine Frau sich aber um die Firma kümmern musste, lud ich wieder einmal meinen speziellen Freund Egon Kammerlander ein, mich zu begleiten. Nicht ganz so uneigennützig, wie’s vielleicht scheinen mag: schließlich wurde von jedem Juror ja auch erwartet, ein im Sinne der “Vorbildwirkung” besonders repräsentatives Schaukochen für die US-Kollegen zu veranstalten – und da war Egons freund-schaftliche Mithilfe natürlich dringend gefragt.
Wie immer – das ist so, wenn Köche reisen; Sie sind damit als Leser meiner Geschichten inzwischen ja schon vertraut – bargen unsere Koffer allerlei “Geheimnisse”, in diesem Fall der Tiroler Küche: zum Beispiel einige Kilo Spezial-Oberländer Graukas, gut ausgereift, nebst zugehörigen Gewürzen und einen größeren Sack mit feingetrockneten Ötztaler Kümmel-Fladenbroten.
In Boston angekommen stürzte ich mich in die Jurorentätigkeit und Egon Kammerlander sich – nicht minder fleißig – in die Vorbereitungsarbeit.
Nach “getaner Wahl” – das “American-Culinary-Team” war aufgestellt – werkten wir dann beide auf das Eifrigste, um unsere Kochkunst den Kollegen unvergesslich zu machen. Für unseren “Tiroler Abend” hatte man einen ganz besonders exklusiven Ort vorgesehen: die Harvard-Universität, weltberühmt-alt-ehrwürdig und doch am wissenschaftlich-neuesten Stand. Hier hatten wir nun aufzukochen.
Die Harvard-University, das war einigermaßen über-raschend für mich, ist mit den gewohnten Größen-ordnungen unserer mitteleuropäischen Universitäten über-haupt nicht zu messen: das Gelände weist riesigste Ausmaße auf, man muss sich etwa den Umfang der Stadt Hall in Tirol vorstellen – und die Menge an im Areal befindlichen Häusern entspricht ebenfalls einer kleineren Stadt; schöne behäbige naturbraune Backsteingebäude.
Für unser Gala-Dinner war ein großer Saal reserviert. Damit zusammenhängend stand uns eine modernst einge-richtete Küche mit allen nur denkbaren technischen Arbeitserleichterungen zur Verfügung. Schnell war somit fertiggestellt, was wir uns so als Tiroler Menü ausgedacht hatten: gebratene Kasknödel, Beuschel, Spinatnockerl, geröstetes Bries, Bauernschöpsernes – Lammfleisch ist speziell in Massachusetts besonders beliebt – und, ja und natürlich unseren, extra aus Tirol mitgebrachten Spezial-Oberländer Graukas, mit Südtiroler Weinessig und Nussöl angemacht.
Wenn wir bei der Arbeit aus unserem Küchenfenster blickten, konnten wir – wie in einem Ameisenhaufen – das geschäftige Treiben am Campus beobachten: Studenten eilten in irgendwelche, wohl Instituts-Gebäude, Profes-soren mit Scripten unterm Arm diskutierten schlendernd, Jogger waren unterwegs, Leute mit Anzug fieberten vielleicht ihrem Examen entgegen, andere hatten sich zum Ausgehen festlich gemacht…
Unsere Gäste trafen pünktlich ein. Fast hundertfünfzig Personen: Koch- & Jurykollegen, Bostoner Prominenz, Universitätsangehörige. Es war ein voller Erfolg. Man wusste die nicht alltäglichen Genüsse zu würdigen. Und das fachgerechte Zerkleinern unserer Ötztaler Fladenbrote mit wohldosiertem Handkantenschlag wurde zur sportlichen Gaudi des Abends. Auch der Rektor der Harvard-Universität war begeistert. Einen “Doktor der Kochkunst” hätte er uns sicher verliehen, wenn dieses Fach an seiner Universität unterrichtet worden wäre. Nur, es gibt halt wenig geeignete Leute, die Professur dafür auszuüben; wenig wirklich geeignete… Ich hab ja keine Zeit wegen meiner Firma – immer kann sich ja auch nicht meine Frau allein darum kümmern – und der Egon Kammerlander…?… tät in so einem großen Lehrstuhl-Lehnstuhl wohl nicht würdig genug wirken – leider! – Obwohl’s ihm an der Kochkunst nicht mangelt, wie das folgende
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